Reisebericht Kanada mit der Eisenbahn
von Horst Wehrse auf 06.06.2019
Von Toronto nach Vancouver
Die Eisenbahnstrecke nach Westen ist häufig ausgebucht und man hatte mir empfohlen, rechtzeitig in Deutschland eine Fahrkarte zu kaufen. Die Gegend ist phantastisch, die Bäume haben schon die rote Farbe des Indian Summer angenommen und sind herrlich anzuschauen. Nur aufpassen, keine Bären erschrecken!
Es geht los, ich fliege von Hamburg nach London, von dort in gut sieben Stunden nach Toronto. Den Zeitpunkt im frühen Herbst hatte ich ausgewählt, um die Farbenpracht des Indian Summer zu erleben.
In Toronto genieße ich die Gastfreundschaft von Hanna und Henry Tiemann, sie stellen mir wieder ihre Bibliothek mit Hausbar als Unterkunft zur Verfügung und es ist ein herzliches Wiedersehen.
Die Eisenbahnfahrt nach Vancouver beginnt erst in ein paar Tagen und so habe ich noch genügend Zeit für Besichtigungen in Toronto und in der Umgebung. Man gut, denn mein Rucksack ist leider auf der Strecke geblieben und wird mir erst am Abend des nächsten Tages zugestellt.
Ein Besuch des Wahrzeichens der Stadt, des CN-Towers, darf natürlich nicht fehlen. Der 1976 fertiggestellte Turm ist 553 m hoch und wiegt 130.000 Tonnen, was einem Gewicht von über 23.200 ausgewachsenen Elefanten entspricht. Mit dem Fahrstuhl fahre ich in weniger als einer Minute zum Space Deck, dem auf einer Ebene von 447 m höchsten Besichtigungspunkt und habe atemberaubende Aussichten auf den Ontario-See, die Toronto Islands und die Stadt.
Beeindruckt hat mich auch die City Hall, das aus zwei halbrunden Hochhäusern bestehende neue Rathaus, aber auch das alte Rathaus mit seinem Big Ben.
Die restliche Zeit verbringe ich in der Innenstadt mit Shoppen, Essen, Trinken und Beobachten. Toronto ist mit über 3 Millionen Einwohnern größte Stadt Kanadas und Hauptstadt der Provinz Ontario.
Die Niagara Fälle
An einem der nächsten Tage fahre ich mit dem Bus zu den Niagara-Fällen, es sind nur 130 Kilometer und wir brauchen knapp zwei Stunden. Diesmal erlebe ich das Schauspiel im sonnigen Spätsommer, gut 3 ½ Jahre vorher bei meinem ersten Besuch war alles grau in grau, in Eis und Schnee. Eine unvorstellbare Menge von 2,5 Mio. Liter Wasser stürzt pro Sekunde hinunter, die Horseshoe Falls auf kanadischer Seite sind 54 m hoch.
Jetzt im September kann man doch mehr unternehmen und so fahre ich mit der „Maid of the Mist“, einem Ausflugsboot, dicht an die Fälle heran und erlebe auf diese Weise hautnah eines der größten Naturschauspiele der Welt. Beim Betreten des Bootes wird Regenbekleidung ausgegeben. Ich nehme einige Bilder auf und verstaue meinen Fotoapparat dann vorsichtshalber, den Sprühnebel hatte ich wohl doch unterschätzt.
Ein Aufzug bringt uns dann zum Grund der Fälle und hier kann man auf „Balkons“ ebenfalls das Geschehen beobachten.
Zum Schluss des Ausflugs gehe ich noch über die Brücke in die USA und habe auch von hier wunderschöne Aussichten auf die American Falls.
Die Eisenbahnstrecke nach Westen ist häufig ausgebucht und man hatte mir empfohlen, rechtzeitig in Deutschland eine Fahrkarte zu kaufen. Es war unproblematisch, ein Reisebüro in Hamburg bietet diesen Service und so warte ich, das Ticket der VIA Rail Canada Inc. in der Hand, im Bahnhof auf die Abfahrt. Auf dem ganzen Gelände herrscht Rauchverbot, Jahre später wird es in Deutschland ähnlich sein. Eine Strecke von annähernd 4.500 Kilometern liegt vor uns.
Eine Coffeebar mit Raucherlaubnis
Der Canadian, unser Zug, begeistert mich. Es ist viel los, wenngleich doch noch einige Plätze frei sind. In den zwei Panoramawagen hat man freie Sicht zu allen Seiten, im unteren Bereich befindet sich eine Coffeebar mit Raucherlaubnis. Ein Salonwagen, verschiedene Bars und Restaurants sorgen dafür, dass es uns an nichts mangelt. In einem Wagen werden Videos gezeigt. Meistens sitze ich allerdings im Panoramawagen und berausche mich an der Landschaft. Viele zumeist ältere Deutsche sind im Zug, sie haben sich von den heimatlichen Sorgen noch nicht befreit und bringen das Gespräch nach kurzer Zeit auf ungesicherte Renten und das Ausländerproblem in Deutschland, so es denn eins gibt. Warum tun sie sich diese Reise an.
Ein anderes Paar aus Norddeutschland erzählt mir, nachdem wir uns vorgestellt haben, dass es Verwandte in Müsleringen, einem Nachbarort von Nendorf, meinem Geburtsort, hat. Welch ein Zufall!
Die Gegend ist phantastisch, die Bäume haben schon die rote Farbe des Indian Summer angenommen und sind herrlich anzuschauen. Angeblich ist diese Färbung auf den frühen Frost zurückzuführen. Wir kommen an großen Seen vorbei und erleben eine unberührte wunderschöne Natur. Manchmal weist der Zugbegleiter auf bestimmte Begebenheiten hin.
Abends werden die Abteilsitze, sogenannte Section-Sitze, zu Liegen umgebaut, jeder kann sich mit einem Vorhang abschirmen und hat sein individuelles Reich. Morgens bleibe ich eine ganze Zeit lang im „Bett“, schaue aus dem Fenster und träume vor mich hin, ja, das ist Urlaub und Entspannung pur.
Kanadisches Frühstück
Das Frühstück nehme ich im etwas preiswerteren Coffee-Shop ein, Kaffee, ham and eggs, Bratkartoffeln und Toast.
Eine Dusche befindet sich in jedem Abteil, Handtücher und Toilettenpapier sind zu jeder Zeit vorhanden, und das bei diesen Entfernungen und Zeiten.
In Sioux-Outlook halten wir eine längere Zeit. Kurz vor Winnipeg beginnt die Prärie, die Gegend wird langweiliger und man sieht nur noch endlose Weizenfelder und ab und zu einen Wasserspeicher am Horizont. Ein paar ältere kanadische Damen in meinem Abteil merken wohl meine kleine Verdrossenheit und heitern mich mit einem Whisky aus ihrer Vorratsflasche auf. Frisches Eis lassen sie immer vom Kellner nachfüllen.
In Winnipeg legen wir eine Pause ein und haben Zeit genug für einen Spaziergang in die Stadt, die mich aber nicht großartig begeistert.
Am 29. September, wir haben gerade Edmonton verlassen, fängt es nachmittags an zu schneien. Wohlig lehne ich mich in meinen Sitz zurück und lasse die romantische Winterlandschaft an mir vorbeiziehen.
Einmal geht ein Raunen durch den Zug, es sollen Elks zu sehen sein. Natürlich denke ich sofort an Elche und muss dann feststellen, dass Wapities gemeint sind.
Nach 52 meist kurzweiligen und interessanten Stunden erreichen wir Jasper, mein erstes Etappenziel. Im „Athabasca-Hotel“ erhalte ich noch eines der wenigen Raucherzimmer.
Abends fühle ich mich in die Wildwest-Zeit versetzt, in der Hoteldisko wird nur Countrymusik gespielt und die Gäste haben sich entsprechend gekleidet. Es herrscht eine großartige Stimmung. An den nächsten Abenden öffnet die Diskothek unter einem anderen Motto.
In Jasper mache ich ausgedehnte Spaziergänge, erfreue mich an den Wapities, die sich mitten in der Stadt in den Vorgärten nicht stören lassen. Ein besonders schönes männliches Tier liegt fotogen auf dem Bahndamm. Diese Tierart war in Kanada bereits ausgestorben und es wurden einige aus dem Yellowstone-Park angesiedelt.
Der Jasper National Park
Der Jasper National Park mit seinen Gletschern, den vielen smaragdgrünen Seen und wilden Flüssen entzückt mich total. In diesen Tagen unternehme ich Ausflüge und Wanderungen, so zum Lake of Forgiveness beim Edith Cavell Gletscher. An einer Stelle kann man in den Eisberg hineingehen.
Geräuschvoll, um die Bären nicht plötzlich zu erschrecken, gehe ich zum Patricia Lake und zum Pyramid Lake, Meister Petz hält sich jedoch verborgen.
An vielen Punkten und Stellen wird auf diese Tierart hingewiesen und beschrieben, wie man sich zu verhalten hat. Ich lese mir alles genau durch und hoffe inständig, einem Braun- oder Schwarzbären zu begegnen, leider vergeblich. Eine Frau aus Jasper erklärt mir, dass man im Frühling, wenn das Futter im Gebirge knapper wird, mehr Glück hat.
Während einer Busfahrt sehen wir mehrere Bighorn-Schafe und einen Kojoten.
Vor der Weiterfahrt nach Vancouver wird der aus Toronto einfahrende Zug gründlich gesäubert, die Panoramascheiben werden mit Hilfe von Hydraulikwagen gereinigt.
Die nächsten 16 Stunden bis zum endgültigen Ziel vergehen wie im Fluge, unbeschreiblich schöne Aussichten auf die Rocky Mountains, die Seen und wilde Flüsse lassen die Zeit nicht lang werden..
Einmal sehe ich eine Elchkuh in den Wald verschwinden. Auf dem Fraser River schwimmen etliche Baumstämme ihrem Bestimmungsort entgegen.
Am frühen Morgen erreichen wir Vancouver. Sofort mache ich mich auf den Weg zum schon bekannten Hotel Bosman, leider ist kein Zimmer mehr frei. Im „Greenbrier Hotel“ in der Robson Street habe ich mehr Glück und verbringe hier die letzten Tage des Urlaubs.
Herrliches Wetter lässt die an sich schon schöne Stadt noch prächtiger erscheinen. Viele Cabriofahrer nutzen die vielleicht letzten Sommertage des Jahres für eine Ausfahrt.
Der Stanley Park
Nach kurzer Erholungspause beginne ich meine Sightseeing-Tour durch die Innenstadt und den nahegelegenen Stanley Park. Auf den Parkwegen, ganz in der Nähe vom Zentrum, gehen viele Inline-Skater ihrem Sport nach.
Immer wieder fasziniert mich die zwischen Küstengebirge, Fluss und Meer außerordentlich begnadete Lage von Vancouver, mit über 2 Mio. Einwohnern eine der größten Städte Kanadas.
Auch dieses Mal führt mein Weg nach Gastown mit seinen schönen Lokalen, dem Gassy-Jack auf einem Whiskyfass und der Dampfuhr, die alle 15 Minuten pfeift und Dampf ablässt.
Längere Zeit verweile ich in Chinatown, streife durch die Läden und esse in einem typischen Restaurant.
Man sieht viele Menschen mit asiatischen Gesichtszügen, Vancouver gilt als begehrtes Ausreiseziel für Hongkong-Chinesen.
Beherrschendes Gebäude der zwischen Burrard Inlet und English Bay gelegenen Downtown ist das an ein Segelschiff erinnernde Canada Place Building. Es wurde anlässlich der Weltausstellung 1986 erbaut.
Riesige moderne Einkaufszentren prägen das Stadtbild.
Ein Besuch des außerhalb liegenden Capilano Parks darf natürlich nicht fehlen. Eine 150 m lange Hängebrücke ist über eine bis zu 70 m tiefe gleichnamige Schlucht gespannt.
Die Überquerung ist ganz schön aufregend, es wackelt und schwankt und man tut gut daran, immer eine Hand am Geländer zu haben.
Weiter geht es zum in der Nähe liegenden Grouse Mountain. Hier nehme ich das Angebot zu einem Hubschrauberflug an. Es ist zwar nicht ganz billig, lohnt sich aber.
Man hat traumhafte Aussichten auf die Umgebung und gewinnt einen unvergesslichen Eindruck.
Viel zu schnell ist der letzte Tag angebrochen und es wird Zeit, zum Flughafen zu fahren. Schweren Herzens bestelle ich ein Taxi.
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