Reisebericht Timisoara

von sunkissedlaura auf 30.06.2020

Die klischeebehaftete Wahrheit am Ende der Welt

Es hat mich gerade in ein kleines Städtchen kurz hinter der ungarisch-rumänischen Grenze verschlagen. Warum ist nebensächlich, aber ich will die Gelegenheit nutzen, euch von meinen Erfahrungen zu berichten. Ich vermute auch mal ganz unverschämt, dass die wenigsten von Euch jemals dort gewesen ist und auch nicht wissen, wie es in einer rumänischen Kleinstadt von Heute zu geht. Lest selbst!


Nun ja, Timisoara ist laut und dreckig, der Bahnhof unheimlich, voller dunkler Gestalten - klar. Und es gibt Ampeln dort, wie in jeder etwas größeren Stadt. Aber: die Ampeln funktionieren nicht! vielleicht sind sie auch ausgeschaltet worden, um Strom zu sparen. Jedenfalls läuft der Verkehr trotzdem halbwegs, die Autos halten je nach Lust und Laune an, um die Fußgänger durchzulassen. Sehr gewöhnungsbedürftig für einen an Ordnung gewöhnten Deutschen.

Das Schönste an Timisoara ist glaube ich seine orthodoxe Kirche. So schäbig und lieblos die Stadt - abgesehen von der halbherzig aufgemotzten Fußgängerzone, daherkommt, so unglaublich schön und prachtvoll ist diese Kirche. Unendlich viele goldene Ornamente und ein imposantes Kirchenschiff lassen einen fast ehrfürchtig werden. Hier kommen täglich alle Timisoaraner (?) herein, küssen so ein Bild eines Heiligen ohne Gesicht und bekreuzigen sich demütig. Es kommen wirklich alle, vom Geschäftsmann über die Kellnerin, bis zu den Straßenjungs und den aufgeklärten Frauen.

Das ist vielleicht das Einzige, was sie verbindet. Aber ich weiß ja nicht, was hinter den Kulissen los ist. Vordergründig wirkt die Stadt deprimierend. Kaum jemand spricht englisch, nur die ganz jungen Leute - die sprechen richtig gut und haben richtig tolle Pläne für die Zukunft. Sprechen mindestens 5 Sprachen und wollen im Ausland studieren, ihren MBA machen. Sonst gibt es hier, vermutlich dank der Verstädterung, wie wir im Sozialkunde Unterricht gelernt haben, sehr viele alte Leute. Auch die kleinen, gebeugten Frauen mit Kopftuch, wie man sich das so im Klischee vorstellt. Und Männer, die auf Parkbänken sitzen und sich ein Taschenradio ans Ohr halten um die Fußballergebnisse mitzubekommen.

In der einzigen "coolen" Bar hört man noch drum&bass, die Musik, die wir in den 90ern verehrt haben. Und es gibt kein Vodka Redbull - auch kein Vodka Cranberry - dafür Cola, Fanta, Sprite. Und jede Menge Brautmodenläden. Nur wenig Bräute, scheint es.

Aber es gibt eine Uni. Eine Oper. Ein Theater. Alles was eine Stadt braucht. Und es gibt Zukunft, in Form der kleinen Mädchen, die alle mit diesen kleinen Goldohrringen, die man zur Kommunion bekommt herumrennen. Manche tragen auch schon Glitzerlidschatten...

Ob die alle ein weißes Brautkleid abkriegen ist ungewiß. Für Nachwuchs werden sie aber bestimmt sorgen, ein Männerüberschuß ist offensichtlich. Auch, dass diese Männer gern antiquiert ihre Männlichkeit zur Schau stellen und sagen, wo der Hase lang läuft.

Alles Klischee werdet ihr sagen - aber in Timisoara ist das Klischee die Realität.

Bei uns findest du bestimmt einen Rumänien Reisepartner für deinen nächsten Trip!

sunkissedlaura

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