Reisebericht Tibet
von FiaBaum auf 11.03.2019
Lhasa
6 Tage Tibetrundreise
Ankunft in Lhasa
Potala Palast, LhasaUm 1680 fertiggestellte Residenz des Dalai Lama, der im indischen Exil lebt und 1989 den Friedensnobelpreis erhalten hat.
Der Bau des Potala-Palasts wurde im 7. Jahrhundert zu Ehren der 2 Frauen des tibetischen Kaisers begonnen, im 9. Jahrh. teilweise zerstört und erst im 13. Jahrhundert abgeschlossen. Im Roten Palast Gebetshallen und Privatgemächer, Mausoleen.
Im Weißen Teil Verwaltungsräume und Wohnräume des Dalai Lama
999 Räume / 13 Stockwerke / 117 Meter hoch / 15.000 Säulen 360 Meter lang / 270 Meter breit / 3 Meter dicke Wänd
Es hatte sich eigentlich alles fast zufällig ergeben bei der Planung eines Familienbesuchs nach Peking und Shanghai. Für diesen Anlass waren nur wenige der 17 Tage in China vorgesehen und spontan kam ihm in den Sinn, doch mal nach Lhasa in Tibet zu reisen. Für ihn eines der ganz großen Ziele auf seiner gedanklichen Liste denn er weiß noch, wie er in den 60-er Jahren von der verbotenen Stadt Lhasa in Büchern las und gerade diese Unerreichbarkeit schürte die Sehnsucht, dort einmal hinzukommen. Es war aber nicht nur der imaginäre Wunsch, sondern auch die Faszination den das großartigste und bedeutendste Gebäude an diesem verwunschenen Ort auf ihn ausübte - der POTALA Palast - religiöses Zentrum des Buddhismus und offizieller Sitz des im Exil lebenden Dalai Lama. Mit großer Faszination las er dann in den 80-er Jahren von den Expeditionen Reinhold Messners nach Nepal und Tibet und zum Mount Everest, der mit Sondergenehmigungen der chinesischen Regierung Zugang nach Lhasa bekam und damit diesen mystifizierten Ort der westlichen Welt näher brachte. Für ihn war dieser ferne Platz aber immer noch im doppelten Sinne unerreichbar. Mehr als 20 Jahre mussten vergehen bis zu seinem Aufbruch ins Reich der Götter auf das Dach der Welt.
Chengdu in Sichuan ist das Einfallstor für Tibet. Aus allen Himmelsrichtungen kommen Tibet-Reisende - in der Mehrzahl Chinesen - an diesen Ort, um von hier einen der mehrmals täglich im Linienverkehr startenden Maschinen der AIR CHINA nach Lhasa zu besteigen. Der Flug in einer schlanken Boeing 757 führt in einer lang gezogenen Kurve in die graue, schlierige Wolkenschicht und entzieht ihm Boden- und Himmelssicht. Lange braucht die Maschine, um aus diesem eintönigen Nichts in höhere Schichten zu gelangen, dort wo der heller werdende Wolkenbrei das Durchstoßen in die Freiheit des Himmels schon ahnen lässt. Lichtzuckungen und vorbeihuschende Wolkenfetzen gehen dann endlich über in endloses Blau und unter dem Flugzeug breitet sich die Watte der oberen Wolkenschicht wie ein Teppich aus. Nach nur wenigen Minuten des Steigflugs sieht er, wie ein vielleicht 6.000-er mit seiner vergletscherten Korona die Decke durchstoßen hat und erhaben seine unverrückbare Präsenz manifestiert. In diesem Augenblick wird ihm der Widerspruch, oder auch vielleicht das Zusammengehen von menschengemachter Technik und göttlicher Natur bewusst. Auf dem Flug zu seinem Traumziel TIBET empfindet er diesen Anblick wie ein kleines Zwiegespräch mit Gott. Nach 1 Stunde und 40 Minuten nähert sich die Maschine im Sinkflug der Region von Lhasa und setzt in einer weiten Schleife über die kargen, baumlosen Berge zur Landung auf dem "Gongga"-Flughafen in 3.500 Metern Höhe an. Auffällig für ihn die extrem hohe Anfluggeschwindigkeit, die wegen der dünnen Luft und des verringerten Auftriebs hier oben erforderlich ist. Der erste Höhenschock erfasst ihn dann direkt beim Aussteigen aus dem Flugzeug. Blitzartig spürt der den Unterschied zwischen der mit Sauerstoff angereicherten Luft an Bord und der Höhenluft von Lhasa. Noch in der Boarding-Gangway durchzuckt ein Gefühl der Schwäche seinen Körper und nur mit Mühe kann er gegen den extremen Schwindel ankommen. Eigentlich hatte er so starke Auswirkungen nicht erwartet, aber der Sauerstoffmangel zermürbt spürbar Gehirn und Muskulatur. Ein Kleinbus bringt ihn dann in weitern 1 ½ Stunden ins 3.650 Meter hoch gelegene Lhasa (dt. = Boden der Götter). Ermattet ist er sich und auch die große Flasche Mineralwasser gibt ihm keine weitere Kraft mehr. Trinken, ja viel Trinken ist ein "muss" in dieser Höhe. Er verspürt leichte Kopfschmerzen und die typischen Symptome der Höhenkrankheit. Das vorherrschende Gefühl dabei ist Aphartie, unterbrochen von kurzen euphorischen Aufhellungen. Sein Gang ist unsicher, wie auf einem schaumigen Teppich und unberechenbare Schwindelattacken lassen ihn aus seiner Balance driften. Ein Druckgefühl breitet sich im Körper aus und die Konzentrationsfähigkeit schwindet in Intervallen. Irritiert, aber gedrängt von seiner Neugier versucht er auf seinem ersten Spaziergang in Lhasa einen Blick zu erhaschen vom Endpunkt seiner Faszination - dem Potala-Palast. Auf der Vorbeifahrt mit dem Bus zum Hotel hatte er IHN schon kurz gesehen durch die etwas milchige, leicht beschlagene Scheibe. Anders als er es sich ausgemalt hatte, lag ER gar nicht so exponiert auf einem Hügel, hoch über der Stadt, sondern war plötzlich einfach da hinter den Häusern. Dominant, stark, ehrwürdig, einer Festung gleich. Am Abend beginnen die Kopfschmerzen stärker zu werden und der Versuch zu schlafen ist der Kampf der ersten Nacht. Kurze Schlafphasen sind geprägt von ruckartigen, meist redundanten Träumen. Die tibetische Kräutermedizin gegen Höhenkrankheit zeigt in dieser Nacht noch keinerlei Wirkung. Dieser Zustand bessert sich dann in den nächsten Tagen mit fortschreitend positiver Tendenz. 4 - 6 Tage Akklimatisation sind normalerweise nötig, um den Körper der sauerstoffarmen Luft anzupassen. Trotz all dieser Nachteile war er froh und glücklich, jetzt an diesem Ort zu sein und irgendwie hatte das Stadtbild nicht mehr den Schleier des Verbotenen, sondern eigentlich schon sehr weltliche Züge. Hotels, Apotheken, Kleingeschäfte, Reparatur-Werkstätten, Souvenirshops, Internet-Cafe, Autos, Fahrrad-Rickschas, Busse, Ampeln, Fotoläden, Teestuben, Verwaltungsgebäude, ja eigentlich eine komplett funktionierende Infrastruktur. Nur die wegen der Höhe, baumlosen Berge machen ihm dann doch klar, dass er an einem besonderen Ort ist. Die rot-braun vergerbten Gesichter der Tibeter heben sich deutlich von der Blässe der relativ wenigen westlichen Touristen ab. Man hatte ihm erklärt, dass die Einheimischen hier schon im Kindesalter auf das Leben in der Höhe und der permanenten Aussetzung der aggressiven UV-Strahlung vorbereitet werden. Die Gesichtshaut wird mit Yak-Kot eingerieben und von der Sonne getrocknet. Über Monate und Jahre stellt sich dadurch die überlebenswichtige UV-Resistenz ein.
Der Potala Palast
Am nächsten Morgen geht es auf eine geführte Tour durch den Potala-Palast. Eine nicht unerhebliche Kraftanstrengung in über 3.700 Metern. Der Palast ist in einen Hügel hineingebaut und wächst so optisch aus dem Fels heraus, um sich exponiert über die Stadt zu erheben. Als Schikane von chinesischer Seite aus, hat man das Regierungs- u. Verwaltungsgebäude direkt zu Füßen des Potalas gebaut, um politischen Machtanspruch über Weltkulturerbe zu stellen. Eine architektonische Provokation ! Der Anstieg auf den Hügel bis zum eigentlichen Treppenzugang zum Palast raubt ihm schon erste Kräfte und auch die Gruppe legt regelmäßige Atempausen ein. Schweiß fließt, trotz der moderaten Temperaturen von vielleicht 15 - 20 Grad. Durch lange, dunkle Gänge in der typisch rost-roten Farbe des Mittelteils führt der Anstieg hinauf über steile Treppen, vorbei an Buddha-Statuen, Räucherstäbchen, Bildern, Wandteppichen, Opferkerzen aus Yak-Fett, Gebetsmühlen u. - schriften, Sitzecken, Wand- u. Deckenbehang. Alles etwas dunkel, während der Geruch der Räucherstäbchen und Kerzen tranig in der dünnen Luft wabert. So windet man sich die 13 Stockwerke hoch und die Zimmer, Hallen und Exponate werden immer bedeutungsvoller und heiliger. An den ehrfürchtigen Gesten und Gesichtern der betenden Tibeter kann man dies deutlich ablesen. Hier sind sie im Gegensatz zum allgemeinen Stadtbild in der Unterzahl, während der Strom der Touristen hier deutlich Überhand nimmt. Vorrangig Chinesen, aber auch Reisegruppen von "Langnasen" sind hier nicht mehr zu übersehen. Er hört Stimmen, die klingen wie die finnische Sprache, doch auf seine Nachfrage bestätigt man ihm, dass sie aus Estland kommen. Spektakulär die zwischenzeitlichen Blicke aus den kleinen Fenstern der Frontpartie auf die tief unter ihm gelegene Silhouette von Lhasa. Vereinzelt sieht man Mönche als Aufsichtspersonal auf mit Teppichen belegten niedrigen Bänken hocken und es erinnert ihn in Verbindung mit den Düften manchmal etwas an die Parties der frühen 70-er Jahre, oder an seine Ausflüge nach Amsterdam, wenn er als Wochenend-Aussteiger mit Rotwein und Gitarre zwischen den Hippies auf dem Platz vor dem Grand-Hotel Krasnapolski saß und die Nacht dann in seinem VW-Käfer an den dahinter liegenden Grachten verbrachte. Als er die oberste Etage erreicht, spielt er - --angestachelt von der Reiseleiterin- den Erstaunten und Ehrfürchtigen. Wir betreten hier nämlich die Privatgemächer und den Thron der früheren und des amtierenden 14. Dalai Lama. Viele Statuen, schwere, dunkle Wandteppiche, Ornamente, Kerzen und Gebetstexte verdunkeln hier den heiligen Raum und der Flüsterton der Reiseleiterin zollen diesem Ort die entsprechende Würde. Er merkt schon, dass er jetzt am höchsten Heiligtum des tibetischen Buddhismus angekommen ist, dem Sitz des im indischen Exil lebenden weltlichen und religiösen Oberhauptes der Tibeter. In den 30-er Jahren wurde er der Tradition entsprechend als 3-jähriges Kind zur Inkarnation des 13. Dalai Lamas zu dessen Nachfolger erkoren. Die wenigen letzten Schritte führen dann hinauf aufs Dach des Potala in die gleißende Höhensonne, die steil über der Stadt steht.Von hier oben sieht er genau die sich langsam voran bewegenden Menschenketten, wie sie in ritueller Handlung unter dem Drehen ihrer Gebetsmühlen die drei imaginären Kreise durch die Stadt verfolgen Heute ist ein besonderer Feiertag der Buddhisten und ungezählte, meist ältere Tibeter bevölkern die Straßen in ihren Hüten und Trachten. Der erste kleine Kreis führt um den Jokhang-Tempel im Zentrum von Lhasa. Nachdem man diesen Weg mehrmals abgeschritten ist, bewegt man sich auf den 2., schon weitläufigeren Ring, bevor man dann den 3. Ring begeht, der vorbei am Potala-Palast in einer großen Schleife durch die Stadt führt. Am Morgen vor dem Aufstieg zum Potala hat er in ihre Augen gesehen und die Kraft erkannt, die die Religion diesen naturgläubigen Menschen verleiht. Alles, auch die geschäftige Betriebsamkeit auf den vielen Baustellen ist bestimmt von der Achtung vor den Bergen. Sie geben den Menschen Halt und Selbstbewusstsein.
Therme in 4.300 Meter Höhe
Am zweiten Abend geht es dann früh ins Bett, da am nächsten Morgen eine Fahrt zu thermischen Quellen in 4.300 Meter Höhe ansteht. Diese Nacht verläuft schon etwas besser als die erste und er findet für jeweils 1 bis 2 Stunden Schlaf, bis ihn dann doch wieder die Symptome der Höhenkrankheit aus dem von wirren Träumen begleiteten oberflächlichen Schlaf holen. Kopfschmerzen machen sich breit und ihm wird ein wenig unwohl bei dem Gedanken an die bevorstehende Fahrt. Noch mal 600 Meter höher in dünnere Luft. Handelt er verantwortlich, oder soll er den Anstieg lieber der Vernunft opfern. Er ist Tourist und will kein Held sein. Am nächsten Morgen beugt er sich jedoch dem Gruppenzwang und tröstet sich mit dem Gedanken: " Wenn die anderen das schaffen, schaffst Du es auch"! Er weiß, dass dies eine falsche Strategie ist, aber er riskiert es dennoch. Die Straße führt hinaus aus Lhasa und zieht sich allmählich, ja eigentlich fast unmerklich in die Höhe, vorbei an der sich im Bau befindlichen Bahnstrecke, die in das nördlich von Tibet gelegene Autonomie-Gebiet Xinjiang führen soll. Ein gigantisches Bauwerk mit vielen Menschen und wenigen Maschinen. Der Bus überholt einen Militärtransport der Volksbefreiungs-Armee. Eine endlose Schlange oliv-farbener LKW´s, die sich in Leerfahrt nach Norden bewegen, um dort neue Fracht für Lhasa aufzunehmen. Chinesen im Bus erklären mit Stolz, dass dies der Lebensnerv für Tibet ist und ein großer Teil der tibetischen Infrastruktur nur mit Hilfe aus Peking aufgebaut werden konnte. Durchaus eine zwiespältige Aussage, denn die Tibeter sind da ganz anderer Meinung. Er spürt, wie der Druck in seinem Körper zunimmt und die Konzentration etwas zu schwinden beginnt, denn inzwischen hat der Bus die 4.000 Meter überschritten. Steil umgeben ihn die baumlosen Hänge und in der Ferne erkennt er schon die ersten Schnee-, Firn- und Gletscherfelder an den Flanken der Berge, die weit über 5000 Meter in den Himmel ragen. Zum ersten Mal erblickt er diese Dimensionen und hat abgekapselt von den Parametern der europäischen Alpen.
Hier ist er im Himalaya bei den ganz großen 8.000-er Bergen wie Everest, Lhotse, Makalu, Nanga Parbat, Gesherbrum, Cho Oyu, Annapurna, Shisha Pangma, Kangchenjunga, Dhaulagiri und Manaslu die aber noch ca. 600 Kilometer entfernt hinter den Zufahrtsorten Shigatse und Gilgit liegen. Nach den letzten steileren Windungen öffnet sich plötzlich ein weites Hochtal und er erkennt, dass jetzt die Zielhöhe von 4.300 Metern erreicht ist. Von weitem sieht er schon die thermalen Verdampfungen, die steil durch die dünne Luft in den Himmel steigen. An mehreren Stellen schießen diese Geysiere aus dem Boden und geben der Dramatik dieser Höhenlandschaft mit den Bergen die gleichzeitig weit entfernt und nach dem nächsten Wimpernschlag wieder greifbar nahe erscheinen eine zusätzliche Vision von Unwirklichkeit. Erst die Pferde, Schafe, Yaks auf den Höhenwiesen und die wenigen Menschen hier oben am Thermalbad lassen ihn die Wirklichkeit wieder wahrnehmen und die vielen Kinder, von denen er umringt ist, die tibetische Faszination fast vergessen. Auf seinen Reisen hat er immer festgestellt, dass Kinder ähnlich, ja fast stereotyp reagieren in ihrer Unbekümmertheit und Neugier. "Money, Money" rufen sie mit ausgestreckter Hand. Ein Ritual, das man einfach tolerieren muss, ohne es weiter kritisch zu hinterfragen. Sie haben eben keine andere Chance und "HARTZ 4" ist hier oben noch nicht angekommen. Die Kinder lesen ihm die Worte von den Lippen ab und so beschließt er mit ihnen ein Lied einzuüben. Unerklärlicherweise kommt ihm gerade das Karnevals-Lied vom "Ballermann" in den Sinn und so stimmt er dies mit Ihnen an. Er singt vor: Buenos Dias Mathias, wir sind wieder da, am Strand von Mallorca wie jedes Jahr - und die Kinder im Hochland von Tibet stimmen im Refrain mit ein - "und nur am Ballermann, am Ballermann, ........! " Erstaunlich, wie die neugierigen Augen an seinen Lippen hängen. Vielleicht ist es ja hängen geblieben und schallt noch gelegentlich aus mehreren Kinderkehlen durch die sauerstoffarme Luft hier oben. Nach fast 2 Stunden Aufenthalt und kürzeren Abstechern in die unendlichen Höhenwiesen bis ganz nah heran an die dort grasenden Yaks, ist dann die Rückfahrt und der Abstieg ins 3.650 Meter hohe Lhasa angesagt. Ganz zahm sind sie die Yaks, wobei er zuerst großen Respekt und auch eine profunde Angst vor ihnen hatt. Nur der Wunsch, ein gutes Foto zu schießen führt ihn unter Selbstgesprächen und fingierten Dialogen mit dem vermeintlichen Ungeheuer schrittweise näher heran. Da es keine Reaktion, außer einem gelangweilten Blick gibt, wächst sein Vertrauen. Auf ca. 3 Metern Abstand merkt er dann, dass die Yak-Mentalität der einer Kuh sehr nahe kommt.
Die Extrem-Pilger
Im Hochtal von Lhasa angekommen fährt der Bus dann wieder vorbei am Jokhang-Tempel und er bekommt die folgenden Zusammen-hänge erläutert:
Im 7. Jahrhundert schickt der tibetische Kaiser einen Gesandten nach CHI-AN (Hauptstadt der "Tang-Dynastie"), damit dieser für ihn um die Hand der Tochter des chinesischen Kaisers bittet. Der chinesische Kaiser ist zu dieser Zeit sehr einflussreich, da 50% des Welthandels zu dieser Zeit über China laufen. Der Kaiser stellt dem Gesandten aus Tibet und vielen anderen Mitbewerbern 7 Aufgaben. Derjenige, der die Aufgaben am besten löst, bekommt den Zuschlag für die Hand der Kaisertochter. Der tibetische Gesandte macht das Rennen und so tritt die chinesische Tochter die 3-jährige Reise nach Tibet an. Sie nimmt als Geschenk für den tibetischen Kaiser eine Buddha-Statue mit. Diese zeigt Buddha als 12-jährigen Jüngling. Sie führt damit auch gleichzeitig den Buddhismus in Tibet ein. Zuvor hat der tibetische Kaiser auch die Tochter des nepalesischen Kaisers geheiratet, die selbst auch eine Buddha-Statue als Geschenk mitgebracht hatte. Diese stellt Buddha als 8-Jährigen dar. Die wertvollere Statue ist die chinesische, die nach ihrem Tod ihren Platz im Jokhang-Tempel im Zentrum von Lhasa findet. Statue und Tempel sind heute zu besichtigen und gelten als höchste buddhistische Pilgerstätte und Zielpunkt der Extrem-Pilger. Dieses Thema ist für ihn hier in Tibet eine der größten Faszinationen, die in diesem Fall nicht die Natur, sondern der Mensch selbst hervorbringt. Jede olympische Goldmedaille tritt nach seinem Empfinden danach in den Hintergrund. Der Glaube verschafft dem Menschen hier keine sprichwörtlichen Flügel, sondern unvorstellbare Energie für eine der ungewöhnlichsten Fortbewegungsformen. Sie legen ein Distanz von 2.000 Km (in Worten: zweitausend Kilometer) bäuchlings zurück, um in Lhasa im Jokhang-Tempel der Buddha-Statue zu huldigen. Vom Bus aus sieh er bereits mehrere dieser Pilgerer im vorbeifahren. Nun aber, als er schon von weitem eine Person auf dem flimmernden Asphaltstreifen sieht, stoppt der Bus und er hat Gelegenheit mit ihm zu sprechen, als der parkende Bus seinen Weg blockiert. Ganz entspannt und freundlich, aber etwas scheu und bescheiden wirkt dieser vielleicht 25 jährige junge Mann. Eine lange Schürze, Knieschoner und Holzkeile an Händen und Füßen sind der einzige Schutz vor den unmenschlichen Strapazen. Wie sieht die Fortbewegung genau aus ? Die Pilger legen sich mit dem Bauch auf den blanken Asphalt, neigen die bloße Stirn auf den Boden und machen mit den Armen eine dem Brustschwimmen ähnliche Bewegung. Dann stehen sie wieder auf, machen 4 Schritte und gehen erneut zu Boden. Damit legen sie eine Tagesleistung von ca. 7 Kilometern zurück. Als er den Pilger fragt, wo er her komme und wie lange er denn schon unterwegs sei, antwortet dieser ganz unspektakulär: Ich komme aus der tibetischen Nachbarprovinz Sichuan, habe in den letzten 9 (neun) Monaten schon 1.800 (eintausendachthundert) Kilometer zurückgelegt und dabei auch einen Berg von etwas über 5.000 Metern überwunden. All dies auf der Nationalstraße 318, die über 5½ -tausend Kilometer von Shanghai nach Kathmandu führt. An dieser Stelle waren es nur noch 120 Kilometer, also ca. 16 Tage bis zum Ziel in Lhasa, eine Distanz, die er nach dieser denkwürdigen Begegnung mit dem Bus in 2 Stunden zurücklegt. Wo schlafen, wie essen u. waschen sich die Pilger ? Jeder - manchmal sind es auch 2 - 3 in einer Gruppe hat ein "Begleitfahrzeug". Eine Person mit einer zu Fuß gezogenen Handkarre, auf der sich die nötigste Ausrüstung befindet. Vielleicht ein kleines Zelt und Ersatz für die erwähnten Verschleißteile. Jede tibetische Familie ist bereit, einem Pilger für die Nacht in ihrem Haus Unterschlupf zu geben. Essen und gelegentlich etwas Geld wird ihnen am Straßenrand zugesteckt. Auf der Rückfahrt nach Lhasa kann er sich nicht mehr lösen von dem Gedanken und dieser denkwürdigen Begegnung und er blickt immer wieder auf den flirrenden Asphalt, der unter ihm mit 60 - 70 Stundenkilometern vorbeirauscht und er stellt sich vor, wie sein gläubiger Gesprächspartner dort jeden Meter auf dem Bauch zurücklegen wird. Die Pilger werden in ihren Dörfern ausgesucht um diese Strapaze auf sich zu nehmen und für den Pilger selbst, aber auch für das ganze Dorf hat dies einen hohen sozialen Stellenwert und verleiht ihnen höchste Anerkennung. Welch eine Last und Verantwortung für den Auserwählten, der 10 lange Monate versucht, die in ihn gesetzte Verantwortung zu erfüllen und gleichzeitig für sich persönlich das höchste religiöse Ziel zu erreichen. - Ein Lebenswerk !Nach der Ankunft in Lhasa geht er mit seiner Frau noch mal eine kleine Runde hin zum Jokhang-Tempel, dort wo sich das gesellige Abendleben zwischen Souvenirkitsch und Heiligtümern abspielt. Die hinter den Bergen untergehende Sonne tüncht die vereinzelten Wölkchen und einige lang gezogene Zirrus-Wolken in ein Pink-Rot und lässt die Menschen vor dieser Kulisse zu Statisten, aber einige auch zu Hauptdarstellern werden. Gerade kommt ein älterer, aber sehr drahtiger Pilger liegend und schreitend um die Tempelecke. Sein Gesichtsausdruck hat etwas vom Siegerblick eines Gladiatoren, aber auch dieses endlose Glückgefühl, die Spiritualität und Demut, es geschafft zu haben und Gott nach 2.000 Kilometern ganz nahe zu sein. Ein ergreifender Augenblick, als er sein Ritual für ein kurzes Gespräch mit ihm unterbricht. Fast physisch spürt er die Aura und psychische Kraft die dieser Mann ausstrahlt und er empfindet, dass er ihm so vieles voraus hat. Er kommt sich klein und unvollkommen vor und schmilzt aus Respekt vor dieser Leistung und dem damit verbundenen Zwiegespräch mit Gott fast dahin. Noch lange denkt er im Bett an diesen Augenblick und nur der Schlaf unterbricht seine Gedankenflut bis zum nächsten Morgen.
600 Km nach Lindje
An diesem Tag soll es auf eine lange Reise von ca. 600 Kilometern in östliche Richtung nach "Lindje" gehen. Diese Region wird von den Einheimischen auch "Die Schweiz Tibets" genannt. Der Ort liegt nur 2.900 Meter hoch und deshalb unterhalb der Baumgrenze. Eine wirklich passende Bezeichnung, wie sich später rausstellen sollte, denn es geht über Pass-Strassen, vorbei an rauschenden Bächen mit kristallklarem Gebirgswasser, grünen Wiesen, Rapsfeldern und geschwungenen Bergketten, die teilweise felsig oder aber auch bewaldet sind. Eine Brücke über den Tibet-Fluss führt hinaus in das sich weit öffnende Tal und das Bett ist etwa 3 bis 4 Mal so breit wie der Fluss selbst. Ganz gefüllt ist es nur zur Regenzeit, wenn sich durch die Schneeschmelze ungeahnte Wassermassen von ausbreiten. Der Blick führt weit hinüber zu den braunen, baumlosen Hängen der 4.000-er, die das weite Tal um Lhasa herum formen und der Bus steigt schon hier fast unmerklich an in Richtung eines Passes von 5.013 Metern Höhe, der heute zu überwinden ist. Ausgestattet hat er sich mit 2 Sauerstoff-Flaschen, die ähnlich einer Spraydose für umgerechnet 2,-- Euro in Lhasa an jeder Straßenecke verkauft werden. Angesichts seiner Erfahrung mit der Höhenkrankheit hatte er in der ersten Nacht gedanklich schon mit dieser Fahrt abgeschlossen. Pure Angst überkommt ihn bei dem Gedanken an diese Höhe, aber die Flaschen und auch beschwichtigende Worte der einheimischen Begleiterin geben ihm Zuversicht. Er hatte auch gelesen, dass die Höhenkrankheit meist erst nach etwa 8 Stunden in der Höhe richtig ausbricht. Da dies nur eine Passüberquerung mit anschließendem Abstieg ist, faßt er doch wieder Mut. Eine leicht geschwungene Serpentinenstrasse führt endlos lang in Richtung Himmel.
Es geht vorbei an kargen Almwiesen, auf denen die Yaks und Schafe grasen. Alles gleicht sehr stark einer normalen Alpenszenerie. Nur verschieben sich hier die Höhen für Europäer in schwer nachvollziehbare Dimensionen. Die letzten Kilometer zwischen 4.700 Metern und der Passhöhe von 5.013 Metern, wenn der Druck im Körper spürbar zunimmt, sind auch für den Motor eine Strapaze. Auch das Auto zeigt Symptome der Höhenkrankheit, denn der akute Sauerstoffmangel verändert auf dramatische Weise den Verbrennungsprozess und raubt der Maschine viele der normal vorhandenen PS. Nur mit Mühe frisst sich der Wagen durch die dünne Luft dem Zenith des Passes entgegen. Auf dieser Höhe sind die optischen Eindrücke eigentlich gar nicht so erdrückend, da man auch hier zwischen seinem Standpunkt und den umliegenden Bergen nur eine Höhendifferenz von 1.500 bis 2.500 Metern wahrnimmt mit dem kleinen Unterschied jedoch, dass man von ungezählten 6.000-ern und sogar einem 7.000-er umgeben ist. Die harmlos erscheinende schneefreie Passhöhe liegt knapp 200 Meter über dem imaginären Gipfel des Mont Blanc, der höchsten Erhebung Europas. Die wenigen Schritte, die er hier oben macht, um gerade mal die nächste Position für einen Schnappschuss zu erreichen, machen ihm physisch deutlich, dass er sich in einer Extremsituation befindet. Nach jeder geringfügigen Belastung erhöht sich der Puls schlagartig und das gierige Atmen reicht nicht aus, um dem Blut genügend Sauerstoff zuzuführen und die Muskeln mit Energie zu versorgen. Es ist und bleibt ein Leben im Defizit. Nach etwa 15 Minuten geht es weiter. Der Bus fährt die steil abfallende Pass-Straße hinunter und folgt den Serpentinen mit ihren scharfen Kehren, während die vielen 6.000-er-Gipfel um ihn herum wegen der sich dynamisch verändernden Perspektive scheinbar rasterhaft höher werden und sich nach jeder Kurve mit einer anderen Silhouette präsentieren. Auf etwa 4.700 Metern stoppt der Bus an einer weitläufigen, ebenen Almwiese mit Yaks und Ziegen, auf der einige Zelte tibetischer Nomaden stehen. Oma, Opa, Vater, Mutter und viele Kinder kommen ihm entgegen und sind offen für ein "Gespräch" mit Händen und Füßen. Natürlich das obligatorische "Money" auf den Lippen, gruppieren sie sich für ein Foto und laden ihn dann auch zu einer Besichtigung des Zelt-Inneren ein. 3 Generationen leben hier auf engstem Raum zusammen. Schon der Gedanke löst bei ihm Beklemmungen und ein Gefühl der Unfreiheit aus. Wie können die Leute nur so leben? Vielleicht ist es die unglaubliche Schönheit der Natur, die ihnen das entsprechende Gegengewicht verleiht und sie so entspannt, zufrieden, selbstsicher und glücklich erscheinen lässt. In weiteren 5 Stunden fährt der Bus bis zum Ziel LINDJE, auf einer Höhe von nur 2.900 M. - noch mal 1.800 Höhenmeter hinunter. Vorbei an Schluchten und rauschenden, kristallklaren Bächen, in denen die Yaks Wasser fassen, nachdem sie zuvor regungslos mitten auf der Strasse gestanden hatten und die Autos sich einen Weg um sie herum suchen mussten. Hier "unten" sind die Berghänge bewaldet und das sich weit öffnende Tal von Lindje erinnert ihn ein wenig an Davos in der Schweiz. Zu Recht also die Begriffsprägung: "Die Schweiz Tibets". Leider bleibt heute Abend nicht mehr viel Zeit übrig. Zuerst das obligatorische Gruppen-Abendessen an diesen chinesischen Rund-Tischen. Grotesk dabei, dass man sich eigentlich wenig zu sagen hat in der zusammengewürfelten Truppe und krampfhaft blickt jeder in seinen Teller. Besonders für ihn ist diese Situation immer wieder eine unliebsame Belastung, da er als "Langnase" kaum mit den Chinesen kommunizieren kann. Anschließend Belegung des Hotelzimmers und noch gerade Zeit für einen kleinen Abendspaziergang in den betriebsamen Strassen. Dort Standardatmosphäre mit Souvenirshops, Kleingeschäften und Supermärkten. China "von der Stange" sozusagen ! Grotesk zuvor die Situation des Busfahrers und der Reiseleiterin Li. Hatten sie sich doch noch vor knapp einer Stunde im Bus vor den Augen und Ohren der Touristen heftigst gestritten, mit dem abrupten Ende, dass der Busfahrer vor Wut in die Bremsen stampfte und dieser quietschend und rumpelnd auf der Straßenmitte zum Stehen kam. Der Fahrer, ein schon seit vielen Jahren in Lhasa lebender Chinese behauptete, dass die Tibeter den Chinesen doch durch die "Befreiung" den gesamten Aufbau der Infrastruktur zu verdanken hätten und dass dieses Land ohne chinesische Unterstützung nicht existieren könnte. Dagegen sträubte sich Li, die junge Tibeterin heftigst. Ihrer Meinung nach sind die Tibeter natürlich in der Lage, auch ohne chinesische finanzielle Hilfe existieren zu können. Ungeachtet der Wahrheit musste sie sich gegen diese Behauptungen wehren, insbesondere vor all den Touristen im Bus, die natürlich außer ihm alles verstehen konnten. Seine Vorbereitung auf die Reise und die bisherigen Beobachtungen hier im Land runden sein Bild allmählich ab. Die historischen Realitäten, speziell im Zusammenhang mit der sog. "Befreiung Tibets" sprechen eine deutliche Sprache politischer Dominanz und kultureller Unterdrückung. Andererseits wären der Aufbau und die Modernisierung Tibets ohne die Unterstützung aus Peking in der Tat nicht in der jetzigen Form möglich gewesen. Dies sei dann hier genug an kritischer Betrachtung, da es nicht so ganz ungefährlich ist, sich als Tourist ohne Lobby zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Aus der vorbereitenden Lektüre und den vielseitigen Info-Quellen weiß er, dass man sein unter schwierigen Bedingungen erworbenes Tibet-Visum nicht leichtfertig aufs Spiel setzen sollte. Es ist ihm jedoch eine Genugtuung zu sehen, mit welchem Selbstbewusstsein die Tibeter ihre freie Religionsausübung durchsetzen, erhalten und in den Straßen Lhasas praktizieren - ungeachtet der Tatsache, dass ihr religiöses Oberhaupt im indischen Exil leben muss. Die historischen Hintergründe sollen an dieser Stelle noch mal verdeutlicht werden:
Das traditionelle Tibet vor der chinesischen Besetzung war weder ein demokratisches Land noch ein sozialer Rechtsstaat im heutigen Sinne. Seine soziale Ordnung lässt sich umschreiben als eine hierarchisch gegliederte Nomaden- und Bauerngesellschaft mit feudalen Strukturmerkmalen, die zweifellos reformbedürftig war. Eine Minderheit herrschte über die Mehrheit, und die Oligarchie aus Klerus und Adel verfügte über die entscheidenden Machtmittel. Von 1912 bis zur gewaltsamen Einverleibung Tibets in die Volksrepublik China im Jahre 1949/50 war Tibet unabhängig. Gleich nach der Gründung der Volksrepublik China unter der Führung von Mao Tsetung im Jahr 1949 wurde Tibet durch Truppen der Volksbefreiungsarmee gewaltsam besetzt. Tibet protestierte vergeblich bei den Vereinten Nationen gegen die chinesische Besetzung. Die völkerrechtswidrige Invasion und Annexion Tibets durch die Volksrepublik China fiel in die Regierungszeit des gegenwärtigen 14.Dalai Lama, Tenzin Gyatso.Im November 1950 übertrug die tibetische Nationalver-sammlung die religiöse und politische Regierungsgewalt auf den erst 15 Jahre alten 14. Dalai Lama. Der junge Dalai Lama, von liberaler Gesinnung und allem Neuen gegenüber aufgeschlossen, versuchte, den Modernisierungsprozess, den sein Vorgänger begonnen hatte, fortzusetzen. Nachdem er sein Amt als Staatsoberhaupt Tibets angetreten hatte, tat er sein Möglichstes, um längst fällige Reformen durchzuführen. Die chinesische Besatzungsmacht sabotierte jedoch die Beschlüsse und Vorschläge der Reformkommission und verurteilte diese damit bald zur Handlungsunfähigkeit. Um ein Blutbad zu vermeiden, bemühte sich der Dalai Lama vergeblich um eine friedliche Beilegung der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen seinem Volk und den eindringenden chinesischen Truppen. Ohne Rücksprache mit dem Dalai Lama und der tibetischen Regierung in Lhasa nehmen zu dürfen, musste 1951 die tibetische Delegation in Peking unter chinesischem Diktat das sogenannte "17-Punkte-Abkommen zur friedlichen Befreiung Tibets" unterzeichnen. Die tibetische Delegation weigerte sich, auch die Siegel der tibetischen Regierung anzubringen, ohne die das Abkommen ungültig war. Aber die Chinesen fälschten in Peking tibetische Siegel und zwangen die Delegation, mit diesen das Dokument zu beglaubigen. Dieser ungleiche Vertrag ging von der Voraussetzung aus, dass Tibet ein Teil von China sei. Damit wurde Tibet offiziell in die Volksrepublik China annektiert. Schließlich erreichte die tibetische Widerstandsbewegung im offenen Volksaufstand am 10. März 1959 in Lhasa ihren tragischen Höhepunkt. Dabei fanden nach offizieller chinesischer Angabe rund 87.000 Tibeter den Tod. Am 28. März 1959 wurde die tibetische Regierung aufgelöst und das "Vorbereitungskomitee des Autonomen Gebietes Tibet" wurde bevollmächtigt, Funktionen und Befugnisse der tibetischen Regierung zu übernehmen. Gleichzeitig wurde die tibetische Währung ab sofort für ungültig erklärt. Auf Drängen der Tibeter musste der Dalai Lama - als einfacher Soldat verkleidet - am 17. März 1959 Lhasa unter größter Geheimhaltung verlassen und nach Indien flüchten. Über 85.000 Tibeter folgten ihrem Oberhaupt, dem Dalai Lama ins Exil. Aus dem Exil in Indien richtete der Dalai Lama mehrmals Hilferufe an die Weltöffentlichkeit und an die Vereinten Nationen. Der Rest ist Politik der Gegenwart.
Eine Bodenwelle auf der gelegentlich unebenen Fahrbahn reißt ihn aus seinem Tagtraum, als sein Blick sich gerade in der Endlosigkeit der Bergwelt und des Hochtals verliert. Dörfer ziehen an ihm vorbei und scheinen kurze Zeit später wieder aufzutauchen, da sie sich in Architektur und Infrastruktur nur wenig unterscheiden und als der Bus in der Spätnachmittags-Sonne nach Lhasa hineinfährt hat er ein bisschen das Gefühl, dass es schon "sein" Lhasa geworden ist. Er erkennt Straßenzüge und Häuserfronten und den gewohnten Strom von Tibetern, die auch zu dieser Zeit noch mit ihren Gebetsmühlen durch die Straßen ziehen. Seine Gedanken gehen dabei noch mal zurück zu den Ausführungen der Reiseleiterin Li, als sie Traditionen und Rituale der Tibeter erläutert. Besonders die reale, aber schaurig anmutende Darstellung der Himmelsbestattung. Bestandteil der buddhistischen Philosophie ist es, dass der Mensch zurück gehen soll in die Natur, aus der er gekommen ist. Überhaupt stehen die Natur und der Respekt vor ihr im Vordergrund der Lebensphilosophie und lässt so manche verzwickte und verdrehte Reglementierung der westlichen Welt unverständlich erscheinen. In der Natur erklärt sich eigentlich alles von selbst und erscheint zugleich logisch, wie auch der Tod. Bedingt durch die vielen Berge und den dadurch relativ knappen Boden zur Bewirtschaftung, gilt dieser als kostbares Gut und sollte nicht unnötig durch Gräber und Friedhöfe "verschwendet" werden. Vor der Beisetzung wird der Leichnam zuerst sitzend aufgebahrt und ein Lama liest aus dem "Tibetischen Buch des Todes" vor, um die Seele des Verstorbenen auf die Reise zwischen Tod und Wiedergeburt zu schicken und seinen Geist zu beschwören, nicht mehr auf die Erde zurückzukehren um die Lebenden heimzusuchen. Anschließend wird die Leiche regelrecht zusammengeklappt und von einem Angehörigen zum Bestattungsplatz gebracht. Der jetzt seelenlose Korpus wird vom "Knochenbrecher" für die Verfütterung an die Geier aufbereitet. Er filetiert die Leiche und zerstückelt das Skelett. Jetzt werden die Geier mit einem Feuer aus gemahlener Gerste und einem Sandgemisch angelockt um sich an den "gedeckten Tisch" zu begeben. Die Knochen werden pulverisiert und zusammen mit dem Gerste-Sand-Gemisch zu Kugeln als weitere Zugabe serviert. Den Schädel des Toten spaltet man zuvor noch mit einer Axt, damit auch der letzte Rest von Seele bis zur Wiedergeburt aus dem Körper entweichen kann. Ein naher Verwandter muss bei diesem Ritual anwesend sein, um die ordnungsgemäße Abwicklung des Zeremoniells zu bezeugen. Er sieht, wie die Gesichter der Mitreisenden einzufrieren beginnen als Frau Li erläutert, dass dies nicht ein Ritual aus längst vergangenen Zeiten ist, sondern auch heute noch praktiziert wird und Bestandteil der Kultur ist.
Abschied u. Nachwirkungen
Am nächsten Morgen nimmt er beim Frühstück innerlich Abschied von dieser einst sagenumwobenen Stadt, da der 1½ stündige Transfer zum Flughafen für 9 Uhr angesetzt ist. Ein letztes Mal geht es vorbei am Potala und den bunten Häusern im tibetischen Baustil. Jetzt bei der Ausfahrt aus dem Stadtgebiet öffnet sich noch einmal das weite Tal vor ihm unter einem phantastisch blauen Himmel und ungewöhnlichen Lichtreflexen, die die umliegenden Berge wie ein seidener Schleier umgeben. Ein letztes Mal überquert der Bus den Lhasa Fluss mit seinem kilometerweiten Flussbett, bevor er sich in den geschwungenen Linien der Straßenführung am Fuße der 4000-er verliert. Weit auf der Gegenseite erkennt er die Berge wieder, über die er vor einer Woche ins Lhasa-Tal eingeschwebt war. Am Flughafen dann wieder die gewohnte Hektik, die so gar nicht zu den vorgegebenen Routinehandlungen eines Check-ins passen. Draußen hinter den Fenstern der Abfertigungshalle steht zu seiner Überraschung schon seine Maschine der AIR CHINA - ein riesiger Airbus A 340, der so gar nicht zu seinen Vorstellungen der einst verbotenen Stadt Lhasa passt. Auch hier hat also schon eine gewisse Form von Massentourismus eingesetzt. Der Start in gleißender Sonne und der wüstenähnlichen Landschaft lässt ihn stutzen, da die Maschine rollt und rollt, aber irgendwie nicht abheben will. Zum Glück wusste er ja, dass wegen der dünnen Luft nur ein längerer Anlauf mit einer höheren Startgeschwindigkeit den nötigen Auftrieb erzeugt. Fast unmerklich hebt der Airbus mit leicht gebogenen Tragflächen in das diffuse Licht über Tibet ab und die braunen Gebirgs-ketten beginnen langsam kleiner zu werden ehe sie ganz hinter den Wolken verschwinden.GOOD BYE TIBET !
Die Ankunft in Chengdu ist dann Routine bis auf die zerquetschte Mineralwasser Plastikflasche, die sich durch den Druckunterschied flunderartig verformt hatte.
Eine letzte Erinnerung an die Höhe Tibets und das Naturgesetz vom Druckausgleich.
Nach einer kurzen Nacht geht es frühmorgens weiter Richtung Shanghai zu einem Familienbesuch mit dem Highlight, dass er den Shanghai Formula 1 Grand Prix Circuit besucht. Shanghai ist Boomtown und das Geschäftszentrum PUDONG, das er vor wenigen Jahren noch im Bau gesehen hatte, ist inzwischen fertiggestellt und steht protzend da, so als solle es den ungebremsten Aufschwung der chinesischen Wirtschaft symbolisieren. Am folgenden Tag weiter mit "Shanghai Airways" nach Peking zu seiner Adresse am 3. Ring. Obwohl sich auch hier der Verkehr durch die Stadt quält, strahlt Peking jedoch etwas mehr Ruhe und Gelassenheit aus, besonders der nicht enden wollende Strom von Fahrrädern, der in 3-er, oder 4-er Reihen durch die Stadt fließt und durch seine Gleichförmigkeit und Konstanz etwas Entspannendes hat. Einen Tag hat er sich genommen für Tiananmen und Wangfujing Avenue um das Gefühl abzurufen, dass "Marius Müller Westernhagen" in einem Lied besingt: " Ich bin wieder hier, in meinem Revier .... " Nach all den Eindrücken fast schon etwas Gewohntes, vielleicht Heimatliches. Auf jeden Fall etwas, was den Schwung in seinem Kopf und seiner Gefühls-welt abbremsen kann. Nach der Flaggenzere-monie um 19:45 sitzt er mit seiner Frau abseits vom Haupteingang zur Verbotenen Stadt auf einem Grünstreifen neben der Hauptstrasse und lässt seine Seele nach dem Sonnenuntergang und der nun überall aufflackernden Beleuchtung baumeln. Jetzt sieht er China pur und versucht ein wenig den Spirit zu erahnen. China scheint die Spaßgesellschaft zu erlernen. Nur noch wenig von verordneter Disziplin bei den Jugendlichen. Studentische Ideale von Freiheit und Demokratie scheinen wie weggefegt. Kein Hauch mehr von verklärter Romantik sozialistischer Solidarität. Maos Konterfei am Eingang zur Verbotenen Stadt erscheint als überflüssiges Relikt aus der Vergangenheit, oder auch irgendwie nostalgisch und passt so gar nicht mehr zu der in Echtzeit ablaufenden Wirklichkeit des Rush-Hour-Verkehrs. Fragt man Chinesen nach dem Sinn, so bekommt man als Begründung zu hören: Mao war der Begründer dieser Republik im Jahre 1949 und wohl deshalb hängt er da noch. Das China von Gestern wird verdrängt vom konsumorientierten Selbstbewusstsein der jungen Generation. Sich "trendy kleiden und fühlen" scheint die Maxime der Teens und Twens zu sein. Patchwork Jeans, nabelfreies T-Shirt, Miniröckchen, Hairstyling, face-painting und "sich lässig geben" liegen im mainstream. Auf der Wangfujing Avenue wird man von der Neonwerbung für Lifestyle-Produkte, Elektronik und Sportartikel fast erdrückt. Nike und Adidas scheinen die Zeichen der Zeit schon erkannt zu haben. Es ist nicht mehr weit bis Olympia 2008. Peking putzt sich raus, Peking macht sich schick und sexy. Einigen hat er schon versprochen, in 3 Jahren zu kommen.
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland der gewohnte Jetlag, aber da war irgendwie noch mehr in den ersten Tagen zu Hause. Er ist ungewohnt zerknirscht und unausgeglichen, eher so als hätte er gerade eine unangenehme Zeit hinter sich gebracht. Er kann seine Gedanken noch nicht richtig sortieren um Kraft aus ihnen zu schöpfen. Da sind Spuren auf seiner Seele die wohl die psychischen Nachwirkungen der Reise sind. Tibet hat ihn tiefer beeindruckt als er erwartet hatte. Es war nicht nur ein weiterer Trip als Eintrag in sein Reise-Portofoilo, sondern da hatte sich etwas ereignet, was er innerlich nacharbeiten musste. Es war keine Spaß-Reise, sondern eine Dimension, die er allenfalls nach seinem Alaska-Trip zum Mount McKinley in ähnlicher Form verspürte. Die überwältigende Natur mit der Ahnung von Gottesnähe, dazu noch die politische Dimension, die er bisher zu wenig reflektiert hatte. All das zog ihn hinein in einen depressionsähnlichen Zustand, der ihn für Tage lahm legte und er wusste, dass er da erst durch musste, ehe er die Eindrücke sortieren und in seine Lebenswirklichkeit einordnen konnte. Es war die Krankheit nach der Höhenkrankheit, eine Re-Integration in den Alltag. Der Yak muss sich hinlegen zum Wiederkäuen.
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