Reisebericht Cartagena Kolumbien

von Rodan auf 30.06.2020

Auszug aus dem Reisetagebuch

Hier findest du einen Reisebericht, der diese bunte Stadt Cartagena von einer neuen Seite zeigt. Es sind nicht nur die offensichtlichen Dinge, die diese Stadt so außergewöhnlich machen, sondern vor allem die keinen Feinheiten auf die man normalerweise nicht achten würde.


Cartagena de Indias

Cartagena de Indias wurde an der Karibikküste Kolumbiens 1533 von Pedro de Heredia gegründet. Eine mächtige Bronzefigur dieses Fundadors schmückt den Eingang der Altstadt, welche zu den besterhaltenen Südamerikas zählt. Auf einer Fläche von 572 km2, knapp ¾ des Kantons Solothurn wohnen und arbeiten rund 960'000 Einwohner, ein Grossteil von ihnen afrikanischer Abstammung. Ihr Einkommen erwirtschaften sie mit Tourismus, Fischerei und Schifffracht. Ihr geschützter Hafen gehört zu den wichtigsten Exporthäfen Südamerikas, und das nicht nur für Kokain, sondern hauptsächlich für Agrarprodukte wie Kaffee, Bananen und andere Früchte, Blumen, Öl und Platin.

Die Schönheit Cartagenas

Wie bei vielen Städten, die in den letzten Jahren scheinbar konzeptlos ins uferlose gewachsen sind, zeigen sich die Schönheiten Cartagenas erst auf den zweiten Blick. Hässliche Hochhäuser, löchrige Strassen und Gehsteige, viele Busse, unzählige gelbe Klein- und Mopettaxis, Müll, Baustellen und Bauruinen, tropfende Klimaanlagen an den Aussenfassaden, Armut, prägen den ersten Eindruck.

Mindestlöhne Anpassung

Die Mindestlöhne sind gestern von der Regierung Kolumbiens der Teuerung angepasst worden und betragen ab sofort CBP (Kolumbianische Pesos) 535'600.-, was nach heutigem Umrechnungskurs CHF 286.—entspricht. Als Vergleich bekommt Frau heute im Supermarkt folgende Aktionen: 1 kg Reis für CHF 1.45, 1 kg Bananen CHF 0.68, 1 kg Gehacktes gemischt CHF 4.95, 1 kg Pouletrumpf (die Flügel und Schenkel werden in den USA und Europa konsumiert) CHF 4.50 oder 4 Rollen WC-Papier à 200 Blatt zu CHF 3.60. Hygieneartikel wie Zahnpasta oder Binden, Deostifte oder Seifen sind praktisch gleich teuer wie in der Schweiz. Das Selbe gilt für Schulmaterialien, Computer und Bürobedarf.

Für eine 3 dl Bierflasche nationaler Provenienz bezahlt man im Nachtclub CHF 6.- - 9.-, in der Disco und in den Kneipen der Innenstadt CHF 2.50 – 3.10 und bei mir um die Ecke 90 Rappen. Ein Mittagessen bekommt man im Restaurant ab 3 Franken, ein gutes Stück Fleisch, z.B. ein 300 gr Rindsteak schlägt mit mindestens CHF 20.- zu Buche. Eine Busfahrt in der Stadt kostet 80 Rappen, die Taxifahrer verlangen rund 8 mal mehr für die gleichen Strecken. Ein Leserbriefschreiber hat sich gesternbeklagt, dass die Grundgebühr für Taxifahrten vor 2 Jahren auf 4800 Pesos (ca. 2.90) angehoben worden sei, er aber im ganzen Land kein Taxi unter 5000 kriegen könne und die Fahrer in Cartagena gar die Frechheit besässen, für die Klimaanlage zusätzlich 1000 zu verlangen

Die angeblich attraktivsten Frauen der Welt

Frauen, das scheinbar unerschöpfliche und wichtigste Thema unter alleinreisenden Männern möchte ich Euch nicht vorenthalten und werde mich deshalb im Folgenden etwas gründlicher mit dieser Materie beschäftigen. Die grosse Diskussion dreht sich immer darum, wo die schönsten Mädchen und Bräute zu finden seien. Die Cartageñas zählen zusammen mit den benachbarten Venezuelanerinnen zu den angeblich attraktivsten Frauen der Welt. Regelmässig findet man sie bei den verschiedenen Misswahlen in den vorderen Rängen und die Miss World kam schon öfters aus dieser Gegend. Nun, wie sieht diese Schönheit aus, was macht die Mädchen so begehrt und warum gewinnen sie so oft?

Ich hielt meine Augen in Barcelona beim einchecken weit offen und scannte alles, was sich vor meinen Linsen bewegte. Beim Umsteigen in Bogota suchten meine Blicke genauso nach der ultimativen Schönheit wie später auf dem Flughafen in Cartagena bei der Gepäckausgabe. Seither bin ich täglich mehrere Stunden in allen Vierteln von Cartagena herumflaniert, besuchte die meisten Supermärkte und Geschäftsviertel, war jeweils Sonntags in der Messe, lernte die Diskotheken und Nachtclubs kennen, habe alle Strände abgelaufen, besuchte die Casinos, doch, die anmutige und ebenmässig gewachsene Grazie ist mir noch nicht begegnet.

3 Hauptgruppen von Frauen lassen sich klar unterscheiden. In der ersten und grössten erkennt man die Bantufrau: grossbusig, Hohlrücken, Riesenpo, auf dem man ohne Schwierigkeiten eine Blumenvase deponieren könnte, mächtige Oberschenkel, kräftige Oberarme und Fesseln, fleischige grosse Hände und im Verhältnis zur Körperlänge von 155-170 cm kurze untersetzte Beine. Ihre Gesichtszüge sind eher herb mit fleischiger breiter Nase und wuchtigen Lippen, die Hautfarbe variiert von einem gelbbraun über dunkelbraun bis schwarz. Die zweite, weniger vertretene Klasse ist zierlich bis grossgewachsen, sehr schlank oder magersüchtig, hat keine oder sehr kleine Brüste, feingliedrige zarte Hände mit langen Fingern und feine filigrane Gesichtszüge. Die Hautfarbe ist meist tiefschwarz. Der dritte Typ ist spanischer Abstammung, meist vollschlank bis 30 und danach dick und dicker, schwarzhaarig wie die anderen beiden auch, die Oberweite variiert von sehr klein bis gigantisch. Daneben existieren vielerlei Mischformen und eine kleine Minderheit ist erkennbar indianischer Abstammung. Eine vierte Gruppe besteht aus den weissen, säuliroten oder schön gebräunten Touristinnen aus aller Welt, auf die ich hier nicht eingehen will.

Kolumbien ist zusammen mit Brasilien und Thailand führend in der Schönheitschirurgie

Botrox wird in jedem Salon de Belleza gespritzt, und von diesen gibt es an jeder Ecke zwei und Silikonbusen werden zu Tausenden spazieren geführt. Die Brustgrösse ist bereits beim ersten oder zweiten Date mit dem neuen Novio Thema und, falls der Freund das wünscht und Geld vorhanden ist, wird sofort in die Klinik gefahren. Dasselbe gilt für die fleischigen Nasen und andere angebliche Makel. Vorwiegend bei der reichen Mittel- und Oberschicht spanischer Abstammung wird viel und gerne zum Skalpell gegriffen. Das Auffallen und bewundert werden geniesst höchste Priorität und es wird unendlich viel Zeit und Geld geopfert, um dem von den Männern und Werbung erdachten Idealbild näher zu kommen. Frau zeigt viel Haut, hohe Pumps oder zierliche Stöckelschuhe sind dabei genauso ein Muss wie knappste Hotpants, grossdecollétierte schulterfreie T-Shirts oder Blusen.

Misswahlen finden zu jedem erdenklichen Anlass statt und erfreuen sich höchster Beliebtheit.

Ich habe mich über Anmut schon in früheren Tagebucheinträgen geäussert und meine Meinung hat sich seither nicht geändert. Die wahre Schönheit kommt von Innen, hat mit Zufriedenheit, mit sich akzeptieren und sich selber gern haben weit mehr zu tun als mit dem äusseren Körperbau. Während die Kinder bis 4-5 mit grossen leuchtenden und aufgeweckten Augen alles und jedes betrachten, staunen und strahlen und uns mit ihrem herzlichen Lachen erfreuen, nimmt mit zunehmendem Alter diese wunderbare Fähigkeit ab und nicht selten haben schon 10-jährige einen düsteren trostlosen Blick, der einem Angst einjagen könnte oder zumindest traurig stimmen kann. Nur wenige sind begnadet, dieses kindlich unbekümmerte ins Erwachsenenleben hinüberzuretten.

In Cartagena sind die ersten Blicke oft abweisend

Sie sind sogar düster, können sich aber schnell aufhellen, wenn man ihnen ein Lächeln schenkt. Die Menschen sind allgemein sehr freundlich, hilfsbereit und offen, aber eben, oft erst beim zweiten Augenkontakt. Dies ist natürlich mein subjektives persönliches Empfinden, kann gut sein, dass das mit dem geläufigen Spruch, dass man niemandem über 50 trauen soll zu tun hat! Um auf meine eingangs gestellte Frage zurückzukommen, so glaube ich, dass das regelmässige gute Abschneiden der Karibikgirls mehr mit dem Bedarf der Werbeleute für diesen Typ Frau zu tun hat als mit wahrer Schönheit.

Die letzten Tage in dieser bunten Stadt

Die letzten Tage waren von vielerlei Aktivitäten geprägt. Cartagena ist eine Kulturstadt ersten Ranges, die sowohl Touristen als auch Einheimischen viel bietet. So fanden in der ersten Woche meines Aufenthaltes die internationalen Musikfestwochen unter anderen mit dem Londoner Symphonieorchester statt. Es wurden täglich mindestens 3 Konzerte geboten, eines davon jeweils gratis für die Minderbemittelten wie z.B. den Schreibenden. So kam ich zu einer Bachmesse in D-Moll, einem Harfenkonzert und einem romantischen Liederabend, vorgetragen von einem spanischen Tenor mit Klavierbegleitung. Danach folgten die Literaturtage und eine nationale Kunsthandwerkerausstellung im Rahmen des sogenannten „Hay-Festivals“.

Das Gastspiel vom „Buena Vista Social Club“

Restlos begeistert hat mich das Gastspiel vom „Buena Vista Social Club“, welches im Freien auf der Plaza de la Aduana gegeben wurde. Die Klänge und Tonfolgen, welche die zwölf älteren Musiker aus Kuba 2 Stunden lang Nonstop aus ihren Instrumenten und Kehlen zauberten, die Rhythmen, der Sound, der aus sämtlichen Poren ihrer swingenden, tanzenden Körper auf den Platz sprühte, war überwältigend. Beim Chan Chan, komponiert vom legendären Compay Segundo erhoben sich die Zuhörer von ihren Sitzen, eine grosse Masse gleichgeschalteter Leiber versetzte den dicht gefüllten Platz in eine einzige Welle der Glückseligkeit, wie man es in seiner Dichte wohl nur in Südamerika erleben kann. Zu diesem Konzert muss ich anfügen, dass dieses seit Wochen ausverkauft war und ich mehrere vergebliche Anläufe unternahm, um zu einer der begehrten Eintrittskarten zu kommen. Erst in den letzten Minuten vor Konzertbeginn gelang es mir, eines dieser Tickets zum 2½-fachen Preis zu ergattern.

Das Fiesta de los Fritos

Es folgte das Fiesta de los Fritos, welches noch andauert und an dem alle möglichen Arten von Frittiertem mit verschiedenen Saucen angeboten werden und abends eine Liveband zum Tanz aufspielt. Am Freitag feierte die Stadt ihre 200-jährige Unabhängigkeit mit einem Festspiel vor dem Stadttor. Die halbnackten Balletttänzerinnen und Tänzer mochten durch ihre stählernen durchtrainierten Körper ebenso zu überzeugen wie die 2 Dutzend Musiker, welche, auf der Stadtmauer verteilt, mit ihren Djembes und Pauken den Takt vorgaben.

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Mein Geburtstag

Nun, am Samstag hatte ich nicht nur meinen Geburtstag zu feiern, nein es war vielmehr dieses „Cavalgate“ angesagt, von welchem ich anlässlich meiner Zeilen über die Virgen de la Candelaria schon mal was erwähnt habe. Es war jedoch nicht so, wie ich mir das im Vorfeld ausgemalt hatte. Die Marienprozession fand zwar mit viel Volk, aber lediglich 6 Pferden der berittenen Polizei als Esskorde statt und das nicht in Boca Grande, wie ich irrtümlich glaubte und auch nicht am Sonntag, sondern am Freitag Nachmittag. Zu diesem Zweck wurde die Statue nochmals auf den Berg geschickt, wo die Jungfrau ihrer weissen Kleider entledigt wurde und neu in grün gewandet den Berg runter in die Pfarrkirche getragen wurde. Der Priester schleppte sich nicht keuchend und schweisstriefend rosenkranzbetend vor der Muttergottestatue durch die Masse der betenden Gläubigen. Nein, er sass bequem auf dem Lederpolster eines klimatisierten mit 4 Lautsprechern ausgestatteten Fahrzeuges und beredete mit fester Stimme das Mikrofon mit den immer gleichen Sätzen des bekannten Bittgebetes. Da auf diese Weise niemand auf einen allfällig gebehinderten Priester Rücksicht nehmen musste, kam die Prozession zügig voran und dauerte trotz der beträchtlichen Strecke nicht lang. Das Bild ähnelte dem uns wohlbekannten palästinensischer Beerdigungen, wie man sie des öftern im Fernsehen zu sehen bekommt.

Einmal im Leben auf einer Pferdeschau sein

Die Pferdeschau selber war eine Augenweide ganz spezieller Art. Diese fand am Samstagnachmittag mit den besten Dressurpferden in Boca Grande statt. Weit über 800 Pferde reisten mit ihren Dresseuren und Herrenreitern aus dem ganzen Lande an, um ihre Künste auf der langgezogenen Hauptstrasse des Stadtviertels feilzubieten. Die Umzugsroute war dicht gesäumt von tausenden Zuschauern, welche meist ihre Stühle und Gefrierboxen neben einem parkierten mit Lautsprechern vollgestopften Auto aufgestellt hatten und da fröhlich mit viel Bier, Whisky und Rum feierten. Die Reiter selber kamen einzeln oder in Gruppen, führten hier und dort ihre Künste vor, vorwiegend das elegante Schenkelweichen im verkürzten schnellen Trab. Sie genehmigten sich von Zeit zu Zeit einen Drink, etliche führten laut schäppernde Lautsprecher auf dem Pferd mit. Angeführt wurde der Zug von blumengeschmückten offenen Kutschen, aus denen die verschiedenen Missen der Masse zuwinkten. Eine Schar Polizeireiter auf grossgewachsenen edlen Pferden bildete den Abschluss nach gut vier Stunden gefolgt von einem Dutzend Strassenwischern mit Karretten, Besen und Schaufeln, sowie je einem Polizei- und Sanitätswagen. In der Zeitung konnte ich heute lesen, dass es im Nachgang in den Strassen zu kleineren Keilereien mit Pflastersteinwürfen gegen die Ordnungshüter kam, was für mich bei dem überbordenden Alkoholkonsum und der Hitze nicht mehr als eine logische absehbare Folge war.

Die Tage in Cartagena beginnen früh

Um die angenehme Kühle des Morgens nutzen zu können, beginnen die Tage in Cartagena früh. Die meisten Einwohner stehen gegen 6 Uhr auf, in den Büros fängt die Arbeit um 8 Uhr an, die Geschäfte öffnen zwischen 7 und 9 und sind durchgehend bis 20, einige gar bis 22 Uhr geöffnet. Nur wenige kleine Läden und natürlich alle Banken und öffentlichen Stellen kennen die traditionelle Siestazeit und schliessen mittags zwischen 12 und 14 Uhr. Weil Mann an diesen besseren Arbeitsplätzen schon um 9 mit Kaffeetrinken beginnt, ist es nicht mehr als gut und recht, dass diese Büros dementsprechend spätestens um 17 Uhr dichtmachen, Frau könnte sich ja bei zu langem Dasitzen eine Grippe holen in diesen extrem gut gekühlten Räumen. Es ist wie bei uns auch. Die Besserverdienenden stöhnen über ihre langen Arbeitszeiten von 40 Stunden, während sich die Working Poor klaglos ihre 50 Stunden und mehr abrackern. Pensioniert werden Kolumbianer mit 62, an einigen privilegierten Stellen schon mit 55. Kleinkrämer, Schuhputzer und die vielen Strassenhändler arbeiten nicht selten auch mit 80 noch. Die Zeitverplemperer und Trödler beobachte ich an vielen Stellen, sie sind allgegenwärtig sowohl auf Baustellen, in Autowerkstätten wie auch an den Kassen der Supermärkte.

Das Busfahren - ein Abenteuer für sich

Was die Busfahrer dagegen leisten, ist schon fast unmenschlich. Diese manövrieren ihre vollbesetzten meist alten mit Gas betriebenen Busse ohne Servolenkung bei dichtestem Verkehr sicher durch das Gewühl der drängenden und zwängenden Taxis, Mopeds, Eselskarren und Fussgänger, sind dabei noch fähig, mit einer Hand das Fahrgeld einzuziehen, blind, ohne den Blick auf die Strasse zu verlieren. Sie halten an jeder möglichen und unmöglichen Stelle auf Zurufen von Innen oder Winken von Aussen, bleiben geduldig und freundlich auch dann, wenn sie innerhalb 50 Meter zweimal anhalten müssen, um jemanden ein- oder aussteigen zu lassen. Das Ganze geht in rasendem Tempo vonstatten, mit Bremse und Hupe wird nicht sparsam umgegangen, Blinker und Licht sind sekundär und werden eher vernachlässigt. Der ÖV funktioniert dank diesen Bussen auch in Stosszeiten hervorragend und ist sehr effizient.

Die Müllentsorger und Strassenwischer

Eine andere Berufsgruppe, in der gut und hart gearbeitet wird, ist diejenige der Müllentsorger und Strassenwischer. Obwohl praktisch an jeder Ecke ein fein säuberlich mit einem Ghüdersack ausgelegter Abfallkorb an die Hausmauer geschraubt ist, schmeissen viele ihren Unrat achtlos auf die Strasse. Eine in rote Overalls gewandete Putzbrigade nimmt sich praktisch rund um die Uhr diesem Güsel an. Mit Besen und Schaufeln bewaffnet patrouilliert diese Kolonne unermüdlich durch die Strassen, wohl wissend, dass schon nach 10 Minuten erneut Zivilisationsdreck auf Gehsteig und Asphalt liegt.

Allnächtlich wird der Hauskehrricht entsorgt. Dies jedoch erst, nachdem er von einer Truppe privat organisierter hagerer bis spindeldürrer in erbärmliche Lumpen gehüllte Arbeiter auf alles brauchbare untersucht und zerlesen wurde. Dabei nimmt der eine nur Karton, ein zweiter Glas und ein weiterer Plasiksachen mit. Bis früh in den Morgen hinein schleppen diese Heinzelmännchen schwerste Säcke und grosse Stapel von Karton zu ihren Sammelplätzen und verdienen mit dieser dreckigsten Schwerstarbeit gute 5 Franken pro Schicht. Wenn man bedenkt, dass diese Kehrrichtsäcke auch die ganzen verdreckten Toilettenpapiere, die wir in Europa die WC-Schüsseln runterspülen, enthalten, bleibt mir eigentlich nichts anderes als Hochachtung für diese Menschen und ihren Job übrig.

Kokain in Kolumbien

773 Kg Kokain hat die Polizei Anfang Monat im Frachthafen beschlagnahmt, fein säuberlich in Plastiksäcken eingeschweisst auf verschiede Container verteilt, welche nach Spanien verladen werden sollten. Der Handelswert wurde mit 23 Millionen Schweizer Franken beziffert. Am 11. Januar blieben 10 Tonnen bei den gleichen Drogenbekämpfern während der Kontrolle einer Luxusjacht auf hoher See im Netz hängen. Solche Nachrichten finden sich beinahe täglich im „El Universal“ von Cartagena. Drogenhandel und deren Bekämpfung gehört nebst dem Tourismus zu den Tätigkeiten des hiesigen Gewerbes. Da die Polizei seit Kurzem diese Mission nicht zuletzt auf Druck der USA wieder ernster nimmt und gar vor wenigen Wochen ein neues Drogenbekämpfungsabkommen mit Venezuela abgeschlossen hat, ist der Fandungserfolg nicht ausgeblieben.

Natürlich reagieren auch die Drogenbosse mit immer raffinierteren Methoden auf die Kontrollen der Polizei. Noch vor wenigen Jahren benutzte die Mafia vorwiegend Schnellboote und Kleinflugzeuge, welche durch ihre Geschwindigkeit problemlos den Jägern davoneilten oder sie verpackten die Drogen aufwändig in Büchern, Kunsthandwerk oder WM-Fussballpokalen, um sie ausser Landes zu schaffen. Eine weitere beliebte Art war, Verantwortliche von Militär und Polizei in die Geschäfte mit einzubinden, was bei der verbreiteten Korruption im Land leicht zu bewerkstelligen war. Nachdem die Polizei mit Helikoptern, Booten und Radarüberwachung massiv aufgerüstet hat, haben sich die Dealer den erschwerten Bedingungen angepasst. So wurden in den letzten 12 Jahren alleine in Kolumbien über 30 selbstgebaute Klein-U-Boote entdeckt, welche mit 2-Mann-Besatzungen in Taucherausrüstungen knapp unter dem Wasserspiegel unentdeckt von den Radarschirmen pro Fahrt jeweils bis zu 4 Tonnen des weissen Pulvers zu den Absatzmärkten in die Staaten oder zu Umschlagplätzen in der Karibik transportierten. Das in den letzten Tagen entdeckte Schiff neuer Bauart konnte bei 31 Meter Länge und 2,5 Meter Breite gar 8 Tonnen Stoff mit 4-Mann-Besatzung auf 9 Meter Tiefe mit 11 Knoten transportieren! Dagegen sind die zwei Deutschen, die letzten Mittwoch beim Versuch, jeweils ein Pfund Koks mit Latexkapseln im Magen zu schmuggeln und dabei durch eine Überdosis umkamen, richtiggehend diletantische bedauernswerte Stümper gewesen.

An jeder Ecke werden Marihuana und Kokain verkauft

...und dies rund 20-mal günstiger als in der Schweiz. Ein Gramm Koks wechselt für ca. 3 Franken die Hand. Über die Qualität kann ich keine verbindlichen Angaben machen, da ich diesbezüglich keinerlei Erfahrung habe und mir diese auch nicht anzueignen gedenke. Ich habe mir allerdings sagen lassen, dass selbst hier Kokain mit Backpulver oder Salz gestreckt von minderer Qualität angeboten werde.

Die letzte Woche - Festival de Cine

In der letzten Woche durchlebte ich dicht gedrängte und extrem intensive Tage, das 51. Internationale Festival de Cine stand auf dem Programm. Eröffnet wurde dieses am vergangenen Donnerstag mit dem fulminanten Werk „También la Lluvia“ von der spanischen Regisseurin Iciar Bollain auf der Plaza de los Mártires vor dem Kongresszentrum. Dieser grossartige Film handelt von einer jungen Filmequipe, welche in Cochabamba Bolivien eine Geschichte über die Eroberung Westindiens und den ersten Humanisten Südamerikas, den Bischof Bartolomé de la Casa, drehen will. Das Filmteam, welches die Konquistadoren als primitive brutale und geldgierige Krieger darstellen will, entpuppt sich während den Dreharbeiten zusehends selbst als rücksichtslos und korrupt, zuerst kommt der Film, und nur der Film. Die Handlung des zu Erzählenden und des Erzählers gleichen sich an, statt in Rüstungen und mit Pferden zeitgemäss in Anzügen und Geländewagen. Geld ist der Schlüssel zu allem und jedem, ohne Geld ist nichts! Dieser Streifen hat zu Recht den Publikumspreis an der diesjährigen Berlinale gewonnen und wird deshalb sicher auch in der Schweiz zu sehen sein. Ich kann Euch Das Werk bestens empfehlen. Einem der Hauptdarsteller, dem Spanier Luis Tosar durfte ich nach der Vorführung persönlich zu seiner Leistung gratulieren.

Die Kurzfilme

Es würde zu weit führen und langweilen, wenn ich Euch von allen 23 gesehenen Kurzfilmen, welche ohne die anschliessenden Diskussionen mit den jeweiligen Machern zwischen 4 und 28 Minuten dauerten und den 16 abendfüllenden Streifen, die ich mir „reingezogen“ habe, berichten würde. Einige Highlights möchte ich jedoch erwähnen. Der Film „Pablo’s Hippos“ von Antonio von Hildebrand ist durchaus sehenswert und lehrreich. Er zeigt Bilder aus dem Leben Pablo Escobars, des seinerzeit meistgesuchten und grössten Verbrechers der 80er Jahre. Als Clanchef und Gründer des berüchtigten Medellinkartells kontrollierte Pablo zeitweise über 80 Prozent des Kokainwelthandels und rangierte auf der Rangliste der Superreichen mit einem Vermögen von über 2 Milliarden an 7. Stelle. Von den Armen in und um Medellin heiss geliebt und bis heute als Heiliger verehrt, geht der Film schonungslos offen der breiten Blutspur dieses Verbrechers nach. Um seinen Mitbürgern die Wahl der Qual bei den Präsidentschaftswahlen zu erleichtern, hat er beispielsweise kurzerhand 3 der 6 Spitzenkandidaten ermorden lassen. Einen davon holte er gar mitsamt seinen 106 Begleitern vom Himmel, indem er ihr Reiseflugzeug abknallen liess. Um einem ersten Prozess zu entgehen, eliminierte er Mitte der 70er Jahre die rund 40 in die Strafakten involvierten Polizisten, Richter und Zeugen.

Für die Mittellosen seiner näheren Umgebung finanzierte er Spitäler, Wohnungen, Sportstätten, Fussballclubs und Schulen. Über 1 Million Bäume wurden nach seinen Anweisungen neu gepflanzt. Selbstlos, von wegen, gute Nachbarn brauchte er als Schutzschild, Helfer und Angestellte, die Bäume waren ihm unentbehrlicher Schutz vor den Blicken der Ordnungshüter und Jäger. Einen kompletten öffentlich zugänglichen Privatzoo mit Nilpferden, Zebras und Elefanten flog er über Nacht illegal aus Afrika ein. Da er die Einfuhr- und Quarantänevorschriften nicht einhielt, wurden die Zebras vom Staat konfisziert. Pablo, nicht verlegen, besorgte sich eine Herde Esel und einige Eimer Farbe, fabrizierte so aus den Grautieren Zebras und tauschte in einer Nacht- und Nebelaktion die beschlagnahmten Tiere mit den gefälschten aus. Unglaubliche und fantastische Geschichten über ihn werden viele erzählt. Die Nilpferde aus dem Privatzoo sind die Hauptdarsteller des gezeigten Films. Während die restlichen Tiere des Parks nach der Ermordung von Escobar am 2.12.93 im Alter von 44 Jahren an Zoos und Private verschenkt wurden oder eingingen, fand man für die Flusspferde keine Abnehmer, da diese schwer einzufangen und kostlig zu transportieren waren. Und so haben sich die Dickhäuter freudig und unkontrolliert vermehrt, aus einem Paar sind mittlerweile 18 Tiere geworden. In der Ära von Escobar haben sich im gleichen Rahmen, den benutzt der Streifen als roten Faden, in Medellin die Morde von unter 1000 auf über 7000 pro Jahr erhöht. Es sind keine verlorenen Stunden, während denen man diesen Film anschaut!

„El cielo abierto“, ein weiterer eindrücklicher Film von Everardo Gonzáles berichtet über das Leben und Wirken von Oscar Romero, nach dessen Ermordung am 24.03.80 der Bürgerkrieg mit über 75000 Toten in El Salvador begann. Alleine an seiner Beerdigung mit über einer Million Teilnehmern wurden sinnlos 40 Leute von den militanten Ordnungshütern des Staates erschossen. Die längst fällige Heiligsprechung dieser herausragenden Persönlichkeit der römisch katholischen Kirche stellt für Rom ein scheinbar unlösbares Problem dar. Wie kann man einen Priester als Märtyrer des Glaubens selig sprechen, wenn er von eigenen ebenfalls katholischen Mitchristen ermordet wurde?

Nette, durchaus sehenswerte Filme sind auch „Bicicleta“ von Carlos Bosch über das Leben des an Alzheimer erkrankten ehemaligen Bürgermeisters Pascual Maragall von Barcelona oder „El cisne negro“, besser bekannt als „Black Swan“, über den ich Euch nach der Oscarverleihung nichts zu berichten hätte, was ihr nicht anderwo schon gelesen hättet. Der Schwanensee bildete gestern spät abends den Abschluss dieser Intensivwoche, während der ich gar die Schule schleifen liess, weil es mir unmöglich war, all die Eindrücke zusätzlich zu den unregelmässigen Verben zu verarbeiten. Als Randbemerkung noch folgende kleine Episode. Zu den meisten Filmen begleitete mich die 42-jährige schwarze mittellose Maryoris Bernier, welche ich als Strassenarbeiterin vor Wochen in der Stadt kennenlernte. Diese Frau übernachtet entweder in einer Sozialwohnung der Stadt zusammengepfercht mit x anderen Drogen- und Alkoholsüchtigen oder bevorzugterweise unter einer lebhaft befahrenen Brücke mitten im Zentrum. Gestern erschien die „Princesa“, wie sie sich selber nennt, andere rufen sie „La Loca“ nicht zum vereinbarten Treffpunkt vor dem Theater, in dem die Kurzfilme gezeigt wurden. Vermutlich, weil sie darüber verärgert war, dass ich ihr die von ihr gewünschten neuen Pants mit passendem Oberteil nicht finanzieren wollte. So kam es, dass im vollbesetzten Saal ein jüngerer intellektueller Brasilianer Platz neben mir nahm. Damit begann eine 98-minütige Leidenszeit für mich. Geruch von altem Schweiss belästigte mein Riechorgan aufs Heftigste, zudem sass vor mir sein Kollege, ein grossgewachsener Lulatsch, der mir die Sicht auf die Leinwand erheblich erschwerte. Wollte mein Kopf nach links ausweichen, verbot mir das meine Nase, beugte ich mich nach rechts, wurde die halbe Bildfläche von seinem Wuschelhaar bedeckt. Meine Gegenstrategie, mit viel Gefurze ihn eventuell vertreiben zu können, fruchtete diesmal nicht, da ich am Vortag dummerweise weder Bier noch Zwiebeln oder gar Knoblauch zu mir genommen hatte. Selten habe ich das Ende eines Filmes mehr herbeigesehnt als an diesem gestrigen langen Nachmittag. Und gelernt habe ich aus diesem Vorfall, dass niemand zu arm wäre, um sauber gewaschen durch die Gegend zu wandeln, ist doch Maryoris immer aufs Feinste herausgeputzt wohlriechend zu den Veranstaltungen erschienen.

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Rodan

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