Reisebericht Kameltour im Niger

von uwet auf 06.06.2019

Auflug in die Wüste

Am Ende der letzten Reise hatten wir unser Fahrzeug in Agadez, im Niger, geparkt. Einer Einladung folgend sind wir nach der Regenzeit erneut aufgebrochen. Wir sollten das große Tamtam der Tuareg im Air, das zeitgleich zum Gerewol der Wodabe stattfindet, erleben dürfen.


Wegen der Ausrüstung beschließen wir mit einem weiteren Fahrzeug dorthin zu fahren. Die Reise geht über La Spezia mit der Fähre nach Tunis. In schneller Fahrt durch Tunesien bis zur Grenze Algeriens. Gleich nach der Grenze türmen sich Dünen auf. Dann wechseln sich endlose Ebenen bedeckt mit Kies und Geröll ab, bis bei In Ecker das Hoggar-Gebirge beginnt. Über 1500 km durch die Sahara liegen hinter uns, die wir auf dem Asphaltband verrbachten, ohne die Wüste bis dahin erlebt zu haben. Mit jedem Kilometer ist es heißer geworden und bei Tamanrasset sind die Tagestemperaturen auf 45° gestiegen. Hier beginnt das eigentliche Abenteuer.

Im Morgenlicht wirken die dem Hoggar eigenen Formen der Berge besonders anmutig. Sie haben ihren besonderen Zauber und in Ihrer Bizarrheit, die den Betrachter in ihren Bann schlägt, fordern sie förmlich zum Verweilen auf. Doch wir sind in Eile und haben keine Zeit ihre Schönheit zu genießen, wie es sich gebühren würde.

Die Piste ist in gutem Zustand und zahlreiche frische Spuren belegen, dass sie häufig frequentiert ist. Vorbei an bizarren Felslandschaften und den dunes de laouni erreichen wir in nur einem Tag In Guezzam und passieren die Grenze in den Niger. Gerade wird eine nagelneue Piste mitten durch die Wüste fertig gestellt, so dass

eine Saharadurchquerung auf dieser Route berechenbar geworden ist.

Einreisen in den Niger

Die Einreiseformalitäten in den Niger sind wie immer zeitraubend und erfordern viel Geduld und Verhandlungsgeschick. Am nächsten Tag erreichen wir Agadez und stehen wenige Minuten später vor der Türe unserer Gastgeberfamilie.

Wir wollen noch am gleichen Abend hinaus in die Wüste, wo die Kamele auf uns warten. Städte sind dreckig, laut und nervenaufreibend. Viel lieber ist uns da ein Abend unter dem Sternenhimmel an einem leise knisterndem Lagerfeuer. Draußen angekommen, erfahren wir, dass die Kamele nicht da sind. Nach der Regenzeit ist ein Teil der Familie mit ihnen in ein entfernt gelegenes Wadi gezogen, wo es reichlich Futter gibt. Am nächsten Morgen machen wir uns auf, sie zu suchen. Dies ist natürlich für die Anwesenden gleich die Gelegenheit die anderen einmal wiederzusehen. Unser Fahrzeug wird zum Lastwagen.

Zahlreiche Bündel wandern auf das Dach und im Nu sitzen zehn Personen im Wageninneren. Über Stock und Stein holpern wir durch das Gelände. In jedem Wadi wird gehalten und diskutiert, ob es das richtige ist. Nach Stunden im viel zu eng gewordenen Fahrzeug, durchgerüttelt und teilweise Arme und Beine eingeschlafen, finden wir endlich das Lager der Nomaden.

Groß ist die Freude über den unerwarteten Besuch. Schnell wird Feuer gemacht und der unvermeidliche Tee aufgesetzt. Drei Gläser für Jeden! Das erste – so bitter wie das Leben; das zweite – so stark wie die Liebe und das dritte – so süß wie der Tod.

Nur, wer drei Gläser bekommt, der kann sich sicher sein, dass er auch wirklich willkommen ist. Es wird später Nachmittag und nach und nach verlassen die Männer das Lager und verschwinden in den Büschen. Kurze Zeit später tauchen sie mit den Kamelen am Zügel wieder auf. Die Tiere legen sich nebeneinander in den Sand und es wird begonnen, sie zu satteln. Nach all der Ruhe und Beschaulichkeit des Tages, beginnt plötzlich eine uns unver-ständliche Hektik. Wir ziehen eine weite Hose an, wie sie die Tuareg tragen, denn die unseren wären für das Reiten eines Kameles viel zu eng. Wir suchen unsere Sachen zusammen und schnell stapeln sich Zelte, Schlafsäcke und Isomatten neben Küchenaustattung und Verpflegung. Hinzu kommen zahlreiche Wasserkanister, denn die Temperaturen liegen tags bei über 40° Celsius.

Kameltour ins Air

Alles findet seinen Platz und schon bald ist unsere kleine Karawane zum Aufbruch bereit. Man diskutiert noch ein letztes Mal die Route durch und unser Begleiter gibt zu verstehen, dass er bestens Bescheid weiß. Viele Hände werden geschüttelt und es kann endlich los gehen. Schuhe ausziehen und an den Sattel hängen, aufsteigen und sich dabei mit einer Hand am Sattel und der anderen am Höcker festhalten haben wir gelernt. Jetzt ein kurzer Ruck am Zügel, ein leichter Druck mit dem Fuß in den Nacken und zack, zack, zack steht ein Kamel mit drei Rucken. Ein leises „Hurr“, mit dem Fuß wieder den Hals drücken und schon setzt es sich in Bewe-gung.

Schnell sind wir wie auf einer Perlenschnur aufgereiht hintereinander. Voraus der Führer, ein alter ehrwürdiger Tuareg, der den Weg zum 125 km entfernten Tam-Tam kennt. Dann wir – drei Touristen aus dem fernen Deutschland und zum Schluß Offon, unser Gastgeber mit dem Lastkamel, das unsere Ausrüstung trägt.

Langsam verfallen die Tiere in einen schaukelnden Gang. Ich rücke hin und her und kann einfach nicht die richtige Posi-tion finden, um einigermaßen angenehm zu sitzen. Hier zwickt die Falte einer Decke, dort drückt das harte Holz der Lehne oder ich rutsche viel zu weit nach vorne, wo das Sattelhorn im Weg ist. Es dauert eine ziemliche Weile bis ich mich endlich auf die Natur konzentrieren kann. Es ist jetzt später Nachmittag und die Sonne beginnt sich zu färben. Es geht leichter Wind und die Temperaturen sind erträglich. „Alles nicht so schlimm“, denke ich mir und beginne die Gegend zu genießen. Weiße Flecken springen aufgeschreckt davon und erweisen sich als eine kleine Ziegenherde. An den Dornbüschen knabbern weidende Kamele und hier und da hört man einen Hund kläffen. Bunte Vögel fliegen auf und große Heuschrecken weichen geräuschvoll mit den Flügel schlagend den Füßen unserer Kamele aus. Ansonsten vermeint man die Stille zu spüren. Die ersten paar Meter hatte sich unser Führer noch nach uns umgedreht und geschaut, ob wir auch dabei sind. Jetzt ist er tief in seinen Sattel gesunken und trottet schweigend vor sich hin. Wir werden schon kommen.

Schnell sinkt die Sonne und nimmt eine blutrote Färbung an. Wie immer an solchen Abenden, schlagen die Vögel an und ihre Stimmen verleihen dem Ganzen eine ganz besondere Atmosphäre. Wir steuern eine kleine Gruppe von Dornbüschen und niedrigen Bäumen an, wo wir unser Nachtlager einrichten wollen. Die Kamele werden abgesattelt und sie bekommen an den Vorderfüßen eine Fessel angelegt, die ihnen nur winzige Schritte erlaubt. Diese Maßnahme bewirkt, dass sie sich bei ihrer nächtlichen Nahrungssuche nicht zu weit vom Lager weg bewegen und am Morgen schnell gefunden werden können. Wir suchen Feuerholz und bauen die Zelte auf. Dabei bemerke ich, dass schon die wenigen Stunden Ritt nicht spurlos geblieben sind. Der Gang ist leicht o-beinig und die Innenseite der Oberschenkel schmerzt ein wenig. Doch schon nach wenigen Schritten tritt Besserung ein. Inzwischen lodert das kleine Feuer und der Teekessel ist aufgesetzt. Aus den mitgebrachten Gurken, Zwiebeln und Tomaten wird ein leckerer Salat zu den maccarones avec sauce bereitet.

Die Sterne blitzen herrlich am Firmament, was zu einen kleinen Spaziergang auf einen nahe gelegenen Felsen verleitet. Von dort aus, wo der Schein des Feuers nicht mehr wirkt, scheinen sie noch heller und näher zu sein. Der Mond ist aufgegangen und verbreitet sein fahles silbriges Licht über die Ebene. Es wird so hell, dass man lesen könnte. Noch einmal schreckt ein Vogel kurz auf und sein Ruf zerreißt die Stille. Dann kehrt Ruhe ein und es wird Zeit in einen traumlosen tiefen Schlaf zu sinken, denn morgen wird schon vor Son-nenaufgang aufgestanden, um die Kühle des anbrechenden Tages zu nutzen.

Das Scheppern der Kochtöpfe reißt mich aus dem Schlaf. Gerädert und mit steifen Knochen schäle mich aus dem Schlafsack. Der Blick aus dem Zelt zeigt, dass es noch dunkel ist, nur am Horizont ist ein winziger heller Streif zu erkennen, der die Morgendämmerung einleitet. Die anderen sind auch schon wach und so gibt es kein Pardon. Müde und viel zu langsam komme ich allmählich in die Gänge. Während das Teewasser kocht, wird die Ausrüstung zusammengepackt und die Kamele eingefangen. Mißmutig, müssen sie in die Knie gezwungen werden. Sie sind noch recht bockig als ahnen sie schon, was heute auf sie zukommt. Unsere Begleiter treiben zur Eile an, denn die Sonne beginnt schon an Kraft zu gewinnen als endlich das letzte Gepäckstück verschnürt ist.

Schnell fallen wir in den nun schon wohl bekannten Trott und schlagen Richtung auf eine winzige Bergspitze ein, die im klaren Morgenlicht am Horizont zu erkennen ist. Vom ersten Moment an wird mir heute das Reiten zur Tortur. Der Sattel ist schief und ich rutsche bei jedem Schritt nach vorne. Die Oberschenkel beginnen zu schmerzen. Noch will ich mir nichts anmerken lassen, will keine Memme sein. Die anderen klagen schließlich auch nicht. Ich rutsche ständig hin und her und versuche eine bequemere Position zu finden. Es ist hoffnungslos und so beginne ich allmählich wütend zu werden, traue mich aber noch immer nicht es zu sagen. Der Schmerz nimmt zu, wird unerträglich und ich spüre, dass die Haut wund geworden ist und zu brennen beginnt. Tränen steigen mir in die Augen und ich fahre Offon ziemlich aggressiv an, dass das so nicht geht. Eher belustigt nimmt er mich nicht ernst und bedeutet den anderen mehrfach: „quel courage!“ Der Schmerz und meine Wut steigern sich, bis alle es merken. Erst dann wird gehalten und ich bekomme endlich einen anderen Sattel.

null

Kamel reiten

Sofort ist das Reiten bequemer geworden, Ich kann gerade sitzen und rutsche nicht ständig auf den Sattelknauf. Für die wunden Beine ist es allerdings zu spät. Die Haut ist abgerieben und verkrustet sich. Es geht auf die Mittagszeit zu und die Temperaturen steigen. Die klare Sicht ist längst vorbei und unser Ziel, der Berg am Horizont, ist aus den Augen verloren. Immer häufiger geht der Griff zur Wasserflasche, deren Inhalt fast am Kochen scheint. Die Luft beginnt zu flimmern und über der Steinebene bilden sich Luftspiegelungen, wie sie in Filmen von Verdurstenden als Wasserflächen gesehen werden. Leichter Wind streicht ständig über unsere Körper, was etwas Kühlung verschafft. Die Sonne steht im Zenit und wir werfen keine Schatten mehr. Tief in mich gesunken, hänge ich meinen Gedanken nach, vertraue mich dem Schaukeln des Schrittes an und schließe immer häufiger die Augen. Müdigkeit übermannt mich. Der Fuß rutscht vom Hals meines Kameles und ich verliere für einen Moment das Gleichgewicht, wäre fast hinunter gefallen. Wir scheinen keinen Deut weiter zu kommen. Ständig das selbe Bild, die selben Büsche und kein Anhaltspunkt, soweit das Auge reicht.

In einer kleinen Senke stehen ein paar Bäume, auf die wir zuhalten. Der Schatten ist gerade ausreichend, wenn man sich unter die Äste drängt. Eine Decke unten herum an die Dornen gespickt verhindert, dass die Sonne hindurch dringen kann. Erst jetzt, direkt am Boden spüre ich, wie heiß es tatsächlich ist. Der Wind ist eingeschlafen und die Erde glüht. Nur noch hinlegen und sich weit ausstrecken. Das bringt den malträtierten Beinen Linderung. Zum Gehen bin ich kaum in der Lage. Die Lippen sind spröde und trocken geworden und die Zunge klebt am Gaumen. In wenigen Augenblicken ist eine ganze große Flasche Wasser regelrecht ausgesoffen und der Durst lässt nicht nach. Erschöpft lege ich mich zurück und schließe die Augen. Undeutlich nehme ich noch wahr, dass trotz dieser Hitze ein Feuer angezündet und der Teekessel aufgesetzt wird, dann schlafe ich ein. Schweiß bildet sich auf dem Rücken und klatschnaß wälze ich mich hin und her. Dort, wo die Verdunstung wirkt, wird die Haut angenehm kühl. Der Tee ist fertig. Kraftlos nehme ich das Glas entgegen und schlürfe das heiße Getränk. Der Durst vergeht ein wenig und ich stelle gerade fest, dass ich zwar enorme Mengen trinke, aber so gut wie gar nicht zur Toilette muß. Der Körper verwertet jeden Tropfen.

Gegen vier Uhr wird die Luft schlagartig wieder klarer und Wind kommt auf. Als wäre das das Zeichen, stehen die beiden Tuareg auf und beginnen die Kamele zu holen. Der Schlaf hat gut getan und es geht wesentlich besser als erwartet. Hier oben ist es recht kühl und immer häufiger bringen Büsche und jetzt auch erste Hügel Abwechslung. Ein Brunnen taucht auf und wir können unsere Vorräte auffrischen. Die Zeit vergeht jetzt schneller, dieser Monotonie entronnen. Heute versinkt die Sonne in einem schwachen rötlichen Ball im Dunst. In einem ausgetrocknetem Bachbett ist Platz für das Nachtlager. Nach dem Essen verschwinde ich sofort im Zelt und falle fast unverzüglich in tiefen Schlaf. Nur kurze Zeit noch höre ich die leise Unterhaltung unserer Freunde am Feuer und das vertraut gewordene jo jo, das so etwas wie Zustimmung bedeutet.

"jo jo"

Viel zu kurz war die Nacht und noch viel unwilliger als am letzten Morgen krieche ich noch steifer aus dem Zelt. Die anderen sind schon längst fertig und haben bereits geduldig auf mich gewartet. Keiner hat es so richtig gewagt, mich zu wecken. Ja, ja „quel courage!“

Unerwartet prima geht alles vonstatten. Ich habe kaum Schwierigkeiten beim Sitzen und die Zeit vergeht wie im Fluge. Die Hügel werden höher und die Berge rücken näher. In den Tälern weiden zahlreiche Ziegen- und Kamelherden. Nomaden haben ihre Zelte aufgeschlagen und staunende Augen folgen unserer Karawane, wenn man an der hellen Haut bemerkt hat, dass wir Fremde sind. Wegen der traditionellen Hosen und dem Chech ist das erst auf nähere Entfernung erkennbar. Einmal überholen wir eine große Herde Zeburinder mit gewaltigen Hörnern. Eine Bororofamilie begleitet sie und hat ihren ganzen Hausrat auf einen Teil der Kühe gebunden. Ein paar Worte werden gewechselt und jeder zieht seiner Wege.

Wieder rasten wir in der Mittagsglut in einer Senke. In einer engen ausgewaschenen Kurve hat sich Wasser gehalten, das glasklar ist. Die Kamele werden unruhig und blasen mit ihren Nüstern. Der Geruch des Wassers macht sie störrisch und schnell steigen wir ab. Im Nu sind die Tiere an der Pfütze und schlürfen mit lauten Geräuschen das Nass in sich hinein. Wir setzen uns an den Rand und kühlen unsere Füße. Auf den letzten Kilometern war das Reiten schon wieder beschwerlicher geworden und die paar Stunden Schlaf be-irken Wunder. Ausgeruht geht es frohen Mutes auf die letzte Etappe.

Schon nach den ersten Schritten kehren die Schmerzen unerwartet heftig zurück. Die verkrusteten Stellen sind aufgerissen und brennen. „Höchstens noch 20 km,“ halte ich mir ständig vor Augen und dass ich die auch noch schaffen werde. Doch so einfach ist das nicht und wir entschließen uns einfach ein paar km zu gehen. Die Sonne ist am Sinken und damit sind die Temperaturen erträglich. Offon drängt wieder aufzusitzen, da wir zu langsam sind. Schweren Herzens besteigen wir die Kamele. In der Ferne tauchen Hütten auf – unser Ziel?

Die Tiere des Landes

Unsere Begleiter treiben die Tiere an und deuten nach Vorne. Wir scheinen es geschafft zu haben. Aber irgendwie fehlt das Treiben für ein Fest und nur wenige Frauen sitzen an einem Kochfeuer. Angekommen beginnt ein Palaver und aus dem Kopfschütteln und den Gesten erkennen wir sehr schnell, dass das mit der Fete hier nichts wird. Schon kommt die Erklärung, dass das Fest um 20 km verlagert worden ist. Mit der „courage“ ist es am Ende. Erschöpft fügen wir uns unserem Schicksal weitere Stunden auf dem Kamel dahin zu trotten. Schnell setzt die Dunkelheit ein und deckt ihren Mantel über unser Elend. Wir können uns an frischen Fahrspuren orientieren, die hell im Mondlicht schimmern. Allerdings finde ich gerade so gar nicht die Freude an den glitzernden Sternen und dem Mond, wie ich es eigentlich jeden Abend getan habe. Das Buschwerk wird dichter und ab und an schrammt ein Ast über die Haut, den ich in der Dunkelheit einfach nicht gesehen habe. Auch das noch!

Plötzlich kommt Regung auf. Durch die Büsche leuchtet der Schein zahlreicher Lagerfeuer. „Gleich sind wir da,“schießt es mir durch den Kopf. „Gleich ist alles überstanden!“ Fast eine Stunde dauert es aber noch bis wir ankommen. In der Dunkelheit täuscht die Entfernung absolut. Was so nah wirkte, wollte einfach nicht näher rücken.

Wir lagern in gebührendem Abstand zur nächsten Familie. Ich falle förmlich vom Kamel und will mich nur noch hinlegen. Zur Ruhe gekommen, dringen allmählich die Geräusche der Nachbarn in mein Bewußtsein. Töpfe klappern, Menschen lachen miteinander, immer wieder übertönt vom Schreien der Kamele und Meckern der Ziegen. Trommeln werden geschlagen und schnell bekommen sie Antwort von anderen Lagerstellen. Dazwischen gellen manchmal die hohen Trillertöne der Frauen. Die Familien bereiten sich auf das große Tamtam morgen vor. Das Ganze wirkt so vertraut und beruhigend, dass ich unverzüglich einschlafe.

Das Tamtam

Schon in aller Frühe werde ich vom regen Treiben geweckt. Es herrscht ein buntes Durcheinander. Geschäftig eilt ein jeder umher. Die Kamele sind mit allem Ornat geschmückt und die Männer haben ihre besten Kleider angelegt. Würdevoll und prächtig wirken sie in ihren indigoblauen Gewändern und den kunstgerecht gebundenen tegelmust. Stolz haben sie sich Schwert oder Lanze umgehängt. Die Frauen haben sich in glitzernde Kleider gehüllt und stolzieren erhobenen Kopfes einher. Die Gesichter sind ocker geschminkt und mit Zeichen und Ornamenten verziert. Ihre Hände und Füße haben sie mit Henna gefärbt und Blumenmuster aufgemalt.

Ich weiß nicht, wohin ich zuerst schauen soll. Es ist alles so unwirklich und mir kommt der Gedanke: „Wenn mich jetzt einer zwicken würde, wäre alles vorbei.“ Ich habe meine Schmerzen vergessen und bin mir absolut sicher, dass es die Sache wert war. Wohin ich nur schaue, gibt es etwas zu entdecken und zu bestaunen. Wie auf ein Kommando eilen plötzlich alle nach Vorne und starren in eine Richtung. Ganz klein ist am Horizont eine Staubwolke zu erkennen. Wir erfahren, dass dies die Spitze eines Kamelrennens ist. Schnell nähert sich die Horde und die Frauen beginnen Trommeln zu Schlagen und ihr Trillern anzustimmen. Dem Hauptfeld weit voraus galoppieren drei Reiter. Sie scheinen kaum noch Kontakt mit ihrem Kamel zu haben, scheinen darüber zu fliegen. Wild fuchteln sie mit ihren Armen und schlagen mit einer kleinen Peitsche auf die Tiere ein, um sie anzutreiben. Dann sind sie da und alle umringen sie. Laut wird debattiert, wer denn nun der Sieger ist, obwohl für uns eindeutig. Um den Rest des Rennens kümmert sich keiner mehr. Später folgt ein weiteres Rennen, das von Kindern ausgeführt wird, die ihre Tiere wie die Alten beherrschen.

Als dann ein wenig Ruhe eingekehrt ist, sammeln sich an mehreren Stellen junge Frauen, die eine Trommel mit sich tragen und setzen sich in den Schatten kleiner Büsche. Dort beginnen sie die Trommel zu schlagen und in ihrem Takt zu Singen. Männer besteigen ihre Kamele und umrunden die Mädchen. Schüsse werden in die Luft gefeuert und untermalen das Geschehen. Immer, wenn sie dann zu Trillern beginnen, galoppieren die Freier wie besessen los und zeigen, was sie können. Die älteren Männer sammeln sich in kleine Gruppen und reiten die Versammlung mit stolz erhobenen Häuptern ab. Diese Gruppen vereinigen sich letztendlich zu einer einzigen großen Schar, die einem Toyota hinterher trottet. Gibt das Fahrzeug Gas, beschleunigen die Verfolger und eine gewaltige Staubwolke hebt sich gen Himmel. Es kommt mir in den Sinn, dass das Dargebotene wie eine nachgestellte Verfolgungsjagd oder eher wie ein Überfall auf ein Touristenfahrzeug wirkt. Langsam geht es auf Mittag zu und die Menschen ziehen sich der Hitze wegen in den Schatten ihrer Lagerplätze zurück. Allmählich senkt sich der Staub und nach all dem unglaublichen Spektakel herrscht plötzlich Stille.

Eine Ziege erwerben

Freunde von uns sind mit dem Auto hierher gekommen und dankend nehmen wir das Angebot an, mit ihnen zurückzufahren. Ich weiß nicht, ob ich die ganze Strecke zurück hätte reiten können. Zum Abschluss des erlebnisreichen Festes wird eine Ziege für 5000 CFA erworben, geschlachtet und zubereitet. Die Familie, die den Topf stellt, ist natürlich beim verzehren dabei. Die einzelnen Familien packen, genau wie wir, ihr Hab und Gut zusammen. Dann ziehen sie stillschweigend in alle Richtungen davon. Ein Jahr wird nun vergehen bis man sich wieder irgendwo hier draußen für das nächste Tamtam treffen wird.

Als kleine Anekdote am Rande muß ich auch die Heimfahrt mit drei (Stadt)Tuareg erwähnen. Sie verlassen sich voll darauf, dass wir, die Touristen, den Weg kennen. Die Richtung ist klar, aber wir sind quer-feldein geritten und haben die Piste kaum gesehen. Immer, wenn sich eine der Spuren gabelt, fragt man uns, wo es lang geht und wir zeigen halt immer nach Westen. Dort muß in circa 50 km die Teerstraße liegen. Einmal als ein Kamelpfad kreuzt debattieren sie doch ernsthaft die Richtung. Ganz sachlich erörtern sie, dass das eine die Spur von Kamelen und das andere die von einem Auto ist. Dann kann es weiter gehen. Hier und da ziehen Familien nach Hause, auf die dann zugesteuert wird und die man fragen kann, ob die Richtung so stimmt. So erreichen wir denn auch die Straße und kommen noch am selben Abend zu einer wohl verdienten Dusche in Agadez.

Dinosaurierfriedhof

Nach einem Abend bei unseren Freunden, mit viel Tee, übermäßigem Essen und viel Gelächter über das Erlebte, entschließen wir uns in das Falaise de Tignidit zu fahren, wo es in jüngerer Vergangenheit neue Dinoaurierfunde gegeben hat.

Circa vierzig Kilometer südlich der Stadt biegen wir nach Westen ab, um einer Piste folgend in das von dort 45 km entfernt gelegene Ausgrabungsgebiet zu gelangen. Die Dunkelheit bricht herein und so über-nachten wir schon wenige km von der Teerstraße entfernt, was unser Glück bedeuten soll. Voller Tatendrang wollen wir am nächsten Morgen den Motor anlassen. Zündschlüssel drehen und .....es kommt nur ein ziemlich mageres schleifendes Geräusch. Es stellt sich heraus, dass eine Bat-terie zusammengebrochen ist. Anschieben hilft nichts, denn im weichen Sand sinkt das Fahrzeug zu tief ein und kann nicht auf die Geschwindigkeit gebracht werden, die ein Starten ermöglichen würde. Aus der Karte ersehen wir, dass die Hauptstraße genau 18,3 km im Westen liegt.

Ausgestattet mit genügend Wasser, ein wenig Proviant und dem Navigationsgerät macht sich einer von uns zu Fuß auf den Weg, um Hilfe zu holen, während zwei am Fahrzeug zurückbleiben. Dies ist unerlässlich, denn die Wüste lebt, wie wir gleich erfahren werden und aufgegebene Fahrzeuge werden als cadeau du sahara behandelt. Noch schnell eingecremt, den Chech gewickelt und die Sonnenbrille auf, dann geht es los.

Wir, die Zurückgebliebenen, räumen die verstreuten Sachen zusammen und verkrie-chen uns unter einem winzigen Busch, denn schon gegen 11.00 Uhr bietet das Auto keinen Schatten mehr. Die Luft wird diesig und die entfernteren Büsche werden zu Schemen. Gerade bin ich ein wenig eingeschlafen als ich Fahrzeuggeräusche zu vernehmen meine. Doch es war nur der Wind, der mich genarrt hatte. Irgendwann später dringen Stimmen an mein Ohr. Man will es nicht glauben, aber mitten aus dem Nichts stehen plötzlich zwei junge Tuareg vor uns. Der eine trägt einen Radio auf der Schulter und ist ständig auf der Suche nach einem Sender. Als sei es die normalste Sache der Welt, dass wir hier unter diesem Busch liegen, setzen sie sich dazu und plaudern ein wenig. Sie haben unseren Mann gesehen, der da zu Fuß in Richtung Straße stapfte und wollten mal sehen, wo er eben herkam. Schon nach wenigen Minuten ist ihre Neugierde befriedigt und sie machen sich davon, verschwinden wie ein Spuk im Dunst der Mittagshitze.

Die Zeit zieht sich endlos in die Länge. Beim nächsten Blick auf die Uhr sind gerade mal 20 Minuten vergangen und es kommt mir vor als seien es Stunden gewe-sen. Man kann nichts Tun in dieser Glut, nur daliegen und warten. Ab und zu der Griff zur Wasserflasche und immer wieder die Lippen eincremen, die trocken und spröde geworden sind. Oft sind die Gedanken bei Christof, der inzwischen schon längst an der Straße sein müsste und ob wohl gleich jemand vorbeifahren wird.

Ausgrabungen in der Nähe von Marandet 

Die Dämmerung bricht herein und wir glauben schon gar nicht mehr daran, dass er heute noch kommen wird als urplötzlich ein Auto neben uns steht. Wir haben es nicht einmal gehört. Heraus steigen unsere Freunde aus Agadez und Offon, der uns auf der Kameltour begleitet hatte. Sie haben eiskaltes Cola und schon fertiges Essen dabei. Das übliche Feuer und der Tee dürfen natürlich nicht fehlen. Das Auto ist erst einmal Nebensache, denn es gibt soviel zu erzählen. Dann starten wir fremd und es geht zurück nach Agadez.

Am nächsten Morgen wird eine neue Batterie gekauft und auf geht es zum zweiten Anlauf Dinosaurier. Die letzten 20 km gestalten sich als äußerst schwierig. Wir müssen alle paar Meter durch staubige ausgetrocknete Bachläufe, die sich entlang des Falaise quer zur Fahrtrichtung ziehen. Wir brauchen über zwei Stunden, erreichen aber ohne Zwischenfälle das Ausgrabungsfeld. In einer weiten Schleife zieht sich hier das Falaise durch das Gelände, an dessen Fuß vor Millionen von Jahren ein Fluß gewesen sein muß, dessen reißenden Fluten an dieser Stelle verschiedene Kadaver angeschwemmt haben müssen. Teilweise liegen die Skelette sogar übereinander.

Die begonnenen Ausgrabungen in der Nä-he von Marandet sind anscheinend wegen der Hitze eingestellt worden. Auf jeden Fall ist niemand da und so können wir in aller Ruhe die zahlreichen Funde bewundern. Manche der Skelette haben über vierzig qm Fläche und ein einzelner Oberschenkelknochen ist fast so groß wie ein Mensch. Wenn sie nur erzählen könnten! Einige Hügel zeugen davon, dass da noch viel mehr unter der Erde verborgen liegt. Neben und zwischen den Knochen liegen jede Menge Stücke versteinerten Holzes herum. Manchmal, wenn es gerade erst freigelegt worden ist und Wind und Sand noch nicht all zulange darüber geschliffen haben, kann man noch ganz genau die Jahresringe oder Maserungen erkennen. Ich bin überwältigt und könnte stundenlang nur da sitzen und staunen.

Doch die Zeit drängt und wir müssen zu-rück. Schon morgen geht unser Flugzeug nach Hause. Am letzten Abendwill nicht so rechte Freude aufkommen. Man wird Abschied nehmen müssen von lieben Menschen, die so schnell zu guten Freunden geworden sind. Die Gedanken sind wo ganz anders, sind weit draußen in der Wüste, berühren Orte, die ein Teil von mir geworden sind.

Wir checken unser Gepäck ein und schon wenige Stunden später hebt die Maschine ab. Ein letzter Blick auf Agadez und dann sind wir über der Wüste. Dort unten also sind wir gefahren, haben uns auf Kamel-rücken geschunden. Wie faszinierend und gar nicht so gefährlich das doch alles von hier oben aussieht. In welch schönem Muster sich die Dünen aneinander schmiegen. Nichts ist zu spüren von der Mühsal, von den Schmerzen, von der Hitze und dem Wind, der uns tagelang die feinen Sandkörner in Kleider Mund und Nase geblasen hat. Ich lehne mich zurück und lasse diese wohl als abenteuerlich einzustufende Reise revue passieren. Als ich die Augen das nächste Mal öffne und hinaus schaue, blitzen die weißen Spitzen der schneebedeckten Alpen zu mir herauf.

Kurz darauf wird es ernst. Kaum haben wir das Flugzeug verlassen, hat uns die Zivilisation mit ihrer Hektik und ihrem Stress eingeholt. Das Gepäck kommt ewig nicht und der Zug geht in wenigen Minuten.

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