Reisebericht Friaul in Italien
von sfintu auf 30.06.2020
Die unbekannte Schönheit im Nordosten
Kaum einer kennt sie in Deutschland – und auch in Italien selbst galt sie lange Zeit als vergessene Region an der Peripherie: Friaul-Julisch Venetien liegt im Dreiländereck Italien-Österreich-Slowenien, zwischen den Karnischen Alpen im Norden und der Adriaküste im Süden.
Hier hat sich noch eine eigene Sprache, das Friulanische, erhalten. Sie ist eng mit dem Räto-Romanischen in der Schweiz verwandt. Nach der EU hat auch Italien Friulanisch inzwischen als eigenständige Minderheitensprache anerkannt und unter Schutz gestellt. Es wird sogar in den Schulen gelehrt. Daneben gibt es in den jeweiligen grenznahen Gebieten auch deutsche und slowenische Sprachinseln.
Doch nicht nur kulturell, auch touristisch, hat Friaul viel zu bieten. In den Bergen kann man im Winter Ski laufen, im Sommer Radsport betreiben oder wandern. Die Strände an der Küste laden zum Baden ein, auch die alte Hafenstadt Triest ist immer einen Besuch wert. Dennoch findet der Massentourismus nach wie vor woanders statt und das wirkt sich günstig auf die Preise aus. Wer mit dem schmalen Geldbeutel unterwegs ist und ein etwas anderes Italien entdecken will, der ist in Friaul genau an der richtigen Adresse.
Authentische Dörfer - vom Touristen zum Bürger auf Zeit
Friaul war immer eine arme Region. Vor allem in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg verließen die Bewohner zu Tausenden ihre Bergdörfer und suchten Arbeit in Mailand, Turin oder Rom. Ganze Landstriche drohten auszubluten und zu veröden. Um diese Entwicklung zu stoppen, haben sich jetzt mehrere Gemeinden zum Verband der borghi autentici, der authentischen Dörfer, zusammengeschlossen.
Sie wollen den Tourismus fördern, indem sie neue Wege beschreiten. Kern ihrer Philosophie ist, dass die ganze Gemeinde zum Gastgeber wird. Statt neue Hotels zu bauen, renovieren sie leer stehende Häuser und wandeln sie in moderne Ferienwohnungen um. Bei diesen dezentralen alberghi diffusi gibt es in jeder Gemeinde nur eine zentrale Reception. Doch für besondere Fragen und Anliegen ist darüber hinaus der so genannte Dorfengel bereitwilliger Ansprechpartner. Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Bewohner gelten als oberstes Gebot, denn in den borghi autentici sollen sich Touristen als "Bürger auf Zeit" fühlen.
Friualanische Musik dringt aus dem Radio in der Ferienwohnung. Sie ist mit allem Komfort eingerichtet, trotzdem rustikal-gemütlich. Mehrere Schlafzimmer, zwei Bäder, dazu ein Wohnzimmer und natürlich eine Küche. Dennoch wird das Frühstück auf Wunsch in einem Korb frei Haus geliefert. Die Wohnung gehört zumalbergo diffusoim Dorf Sutrio, nicht weit vom Plöckenpass hinüber nach Kärnten. Die Reception ist ein paar Straßen weiter in der Dorfmitte. Aber das macht den meisten Gästen nichts aus, meint die Empfangsdame Arianna Matiz:
"Die Gäste kommen ganz gut zurecht damit. Von mir bekommen sie den Schlüssel und alles erklärt. Wir begleiten sie zu ihren Wohnungen, zeigen ihnen alles und erklären ihnen, wie beispielsweise die Espressomaschine funktioniert. Es gibt natürlich ein Telefon in jeder Wohnung, von da können sie in der Reception anrufen oder auch in den anderen Apartments."
Wie ein Engel sieht er nicht aus: Manlia Mattía in Sutrio
Und wenn Arianna oder ihre Kolleginnen nicht weiterhelfen können, dann ist da ja noch der Dorfengel. Manlia Mattía heißt er in Sutrio. Als stellvertretender Bürgermeister kennt er sich bestens aus in der Gemeinde. Deutsch spricht er leider nicht – und wie ein Engel sieht er auch nicht unbedingt aus. Trotzdem will er dazu beitragen, dass ein Aufenthalt in seinem borgo autentico ein unvergessliches Erlebnis wird.
"Da ist einerseits natürlich die Information der Dorfbewohner, das heißt, dass alle wissen, dass die Gemeinde sich an dem Projekt als gastfreundliche Gemeinde beteiligt. Und daher sind sie sensibilisiert, dass sie jedem, dem sie auf der Straße begegnen, zeigen sollen, dass er dazugehört. Und wichtig sind natürlich auch unsere vielen Feste, wo alle zusammen feiern können."
Luxuriös-antik: Ferienwohnung in Ovaro
Seine Kollegin Lieta dell' Oste im Dorf Ovaro ähnelt mit ihren blonden Haaren schon eher einem Engel. Hier reicht die Palette des albergo diffuso vom schlichten Ein-Zimmer-Apartment bis hin zur luxuriös-antik eingerichteten Villa - mit Preisen zwischen 17 und 27 Euro pro Person. Doch wenn es um das Wohl der Gäste geht, macht Dorfengel Lieta keinen Unterschied und tut alles, was in ihrer Macht steht.
"Wir hatten mal eine Gruppe von Managern aus Triest hier, für die haben wir ein dreitägiges Incentive-Meeting organisiert. In ihrer Freizeit haben sie Foto-Trekking gemacht, eine Bergwanderung und eine Fahrradtour. Das Besondere aber war das Kochen eines gemeinsamen Abendessens, für das wir alle Zutaten besorgt haben."
Geburtsort der "alberghi diffusi": Dorf Comeglians
Die längste Erfahrung mit alberghi diffusi hat das Dorf Comeglians, wo schon 1978 die Idee geboren wurde. Gut zwanzig Jahre später konnte das dezentrale Hotel eröffnet werden. Wie in den anderen borghi autentici sind die weitaus meisten Gäste Italiener, aber auch bei deutschen Touristen kommt die Idee gut an.
Frühstück frei Haus: "albergo diffuso" in Sutrio
"Wir wohnen in einer schönen Ferienwohnung, in der ich unabhängig bin, kochen kann, im Supermarkt im Dorf einkaufen, und zugleich hab’ ich den Service, den ich in einem Hotel auch habe. Es gibt Frühstück im Haus, ans Bett, und zugleich glaub’ ich, dass auch das Dorf davon profitiert, denn es ist halt eine Strukturentwicklung, Häuser werden erhalten, rekonstruiert, und so haben auch die Gemeinden was davon."
Alle ein bisschen stolz: Repräsentanten von Lauco mit Urkunde
Und so hat das Konzept längst Schule gemacht, auch in anderen touristisch unterentwickelten Regionen Italiens. Aber der Ursprung liegt in Friaul und darauf sind alle beteiligten Dörfer schon ein bisschen stolz.
Kulinarischer Streifzug - vom Räucherschinken zum Apfelstrudel
Die grenznahe Lage zu Österreich und Slowenien hat in Friaul auch die regionale Küche stark beeinflusst. In den Badeorten an der Adria beherrschen zwar - wie im übrigen Italien - Pizza und Pasta die Speisekarten, im Bergland aber haben sich ganz eigenständige Gerichte mit landestypischen Zutaten erhalten. Besonders die lange Zugehörigkeit Friauls zur k.u.k.-Monarchie Österreich-Ungarn hat ihre Spuren hinterlassen. Die Liste reicht vom geräucherten Schinken als Vorspeise bis zum Apfelstrudel als Dessert. Und sogar beim Wein setzt Friaul eigene Akzente. Die meistangebaute Rebsorte ist der Tocai, ein fruchtiger Weißwein, der allerdings seit 2007 nach EU-Recht nicht mehr so bezeichnet werden darf. Die Ungarn haben wegen der Verwechslungsgefahr den Namen für sich reklamiert. Seither wird der friulanische Tokajer Friulano genannt. Seiner Beliebtheit hat dies keinen Abbruch getan.
Aber nicht nur wegen des Weines kann eine Reise in die nordostitalienische Grenzregion zu einem kulinarischen Streifzug der besonders leckeren Art werden.
k.u.k.-Einflüsse unverkennbar: "Tocai" ist die beliebteste Rebsorte
"I salumi di Carnia" ist eine Schlachterei in Ovaro. Von weither kommt die Kundschaft, um hier frische Wurstwaren der Region einzukaufen. Eine der Spezialitäten des Hauses ist ein Schinken, wie er nirgendwo sonst in Italien hergestellt wird.
Rauch von Nussbaumholz: Schinken nach karnischer Art
"Im Unterschied etwa zum Parmaschinken", erklärt Metzger Renato Beorchia, "wird er zusätzlich geräuchert. Aber nur sehr leicht, deswegen merkt man es kaum. Der Schinken wird zuerst durch den Rauch getrocknet, dann aber auch luftgetrocknet. Das ist so ein Mischverfahren. Und da werden besondere Hölzer, also vor allem Nussbaumholz, verwendet. Und die Qualität unserer Produkte wird von einem Institut in Udine streng kontrolliert."
Beliebte Vorspeise: Schinken mit Käse
Den Räucherschinken auf karnische Art isst man gern als Vorspeise, zusammen mit einem typischen Hartkäse, dem Carnia. Hergestellt wird er in der Käserei "Val Tagliamento" in dem Dorf Enemonzo. Der Carnia schmeckt noch herzhafter als der bekanntere Montasio aus dem unteren Friaul, und das, meint Käser Sandro Fabiani, liegt an der guten Milch.
Mit Milch von glücklichen Kühen: Käserei "Val Tagliamento"
"Unsere Milch kommt nur von Kühen hier aus den Bergen. Das sind viel kräftigere Kühe, die immer draußen sind, in Höhen ab 1.200 Meter, glückliche Kühe sozusagen. Und die Milch ist viel gehaltvoller als die Milch aus dem Flachland - Bergmilch eben. Deshalb schmeckt der Käse auch kräftiger."
Produkte der Region: Abendessen in der "Trattoria alle Trote"
Mit Käse geizt auch die "Trattoria alle Trote" in Sutrio nicht. Der Küchenchef arbeitet fast ausschließlich mit Produkten der Region: Polenta, einen leuchtend gelben Maisbrei, gibt es vor dem Hauptgericht. Ein besonderes Geschmackserlebnis aber sind seine Ravioli, mit Kräutern und Rosinen gefüllte Teigtaschen:
Wie ein Biss in die Wiese: Ravioli mit Kräutern und Rosinen
"Augenblick, ich verkost’ mal", sagt dieser deutsche Tourist. "Hhmm, ja, so’n herb-süßer Geschmack, wie wenn ich in eine Wiese beiße, mit ganz vielen Kräutern und gleichzeitig anschließend noch eine süße Weintraube, so 'ne richtig fruchtig-süße Weintraube, dazu esse. Hmm, sehr lecker, sehr sehr fein, sehr toll!"
Auch paniert nach Wiener Art: Bachforelle in der "Trattoria alle Trote"
Spezialisiert hat sich die "Trattoria alle Trote" auf Bachforelle, die in den Flüssen der Karnischen Alpen gefangen wird. Der Koch Aldo Puntel paniert sie auch nach Wiener Art. Nicht nur hier zeigt sich der österreichische Einfluss, wie er für die friulanische Küche typisch ist:
Österreichischer Einfluss: Aldo Puntel bereitet Apfelstrudel zum Dessert
"Die Einflüsse sind natürlich Apfelstrudel, dazu gibt’s auch Knödel. Sauerkraut wird auch gekocht – so wie in Deutschland und Österreich – nur, es wird auch mit einer Soße aus Zwiebeln, Mehl und Butter zubereitet."
Denn trotz aller fremden Einflüsse hat Friaul eben doch seine kulinarische Eigenständigkeit bewahrt. Nur beim obligatorischen Espresso zum Abschluss des Menüs sind alle Unterschiede zum restlichen Italien aufgehoben. Und das ist auch gut so!
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