Abends beim Bier erkennt man sie an den leicht klobigen Tauchcomputern am Handgelenk, die aussehen wie eine Digitaluhr aus den Neunzigern. Es sind diejenigen, die länger geblieben sind auf Koh Tao. Aus Tagen wurden Wochen, Monate, manchmal sogar Jahre. Die kleine Insel im Golf von Thailand ist eine Konstante auf der Backpacker Route durch Südostasien, der manchmal auch „Pancake Trail“ genannt wird. Immer die gleiche Geschichte: Drei, vier Tage wollten die meisten kommen, ihren Tauchschein machen – der trotz des ungünstigen Wechselkurses immer noch günstiger ist als im Rest der Welt – und dann weiter. Jetzt machen sie ihren Divemaster oder arbeiten als Tauchführer oder sogar Tauchlehrer auf der Insel.
Die nur 21 Quadratkilometer kleine Insel liefert sich jedes Jahr ein Kopf an Kopf Rennen mit dem Great Barrier Reef darum, wer die meisten Taucher zertifiziert. Neben den geringen Kosten fürs Tauchen und die Lebenshaltung sind vor allem die Trainingsbedingungen optimal: Mit Ausnahme des Novembers ganzjährig gutes Wetter, rund 30 verschiedene Tauchspots, erreichbar in weniger als 45 Minuten Fahrtzeit mit dem Boot. Darunter sind Highlights wie Chumphon Pinnacle, Sail Rock oder Southwest Pinnacle: Tauchgebiete wo selbst Anfänger manchmal das Glück haben, bei ihrem dritten oder vierten Tauchgang einen Walhai zu sehen. Mit bis zu 14 Metern Körperlänge immerhin der größte Fisch der Welt.
Seit dem Beginn der Neunizger Jahre hat sich die Insel weiter entwickelt, es gibt mittlerweile ein paar größere Hotelanlagen, der Großteil der Besucher übernachtet aber weiterhin in einfachen Bungalows (ab 4 Euro), häufig mit kalter Dusche und einer Klospülung, die per Hand und Eimer betätigt wird. Aber wer braucht schon Luxus, wenn er den ganzen Tag außer Haus beim Schnorcheln oder Tauchen ist. Wer nach dem Tauchen noch Energie hat, der trifft sich am frühen Abend zu einem authentischen thailändischen Essen (rund 1,50 Euro) oder bedient sich am Beach Barbecue, bevor er an einer der vielen Strandbars noch ein Tiger oder Singha Bier (1 Euro) genießt. Die ganz Rastlosen zieht es dann später weiter zur Lotus Bar, wo bei der fast immer gleichen Musik und dem ein oder anderen Bucket – Longdrink im Plastikeimer – bis in den Morgen gefeiert wird. Aber wen stört schon die Musik, wenn er im Paradies ist.
Rund um Vollmond wird es eng. Viele der jungen Backpacker nutzen die Insel als Basis und fahren nachmittags mit dem sogenannten Party-Boot zur legendären Full Moon Party nach Koh Phangan und morgens mit der ersten Fähre wieder zurück. Mittlerweile gibt es auch immer mehr Aktivitäten für Nichttaucher, wie Thaibox-Kurse, Trapezworkshops, Minigolf, Bowling oder Paintball. Und wer einfach nur am Strand abhängen will, der findet vor allem entlang der Ostküste einsame Buchten.
Abends an der Bar kann man sich dann von den Mädels und Jungs mit den dicken Tauchuhren am Arm erzählen lassen, wie sie sich damals vom Charme der Insel haben fesseln lassen. Und wer dann von seinem Gesprächspartner hört „I am leaving tomorrow!“, der kann sich fast sicher sein, dass dieser morgen auch noch da sein wird.
Der Autor lebt seit 2009 auf Koh Tao und arbeitet dort als Tauchlehrer. Auf seiner Internetseite gibt es weitere Informationen rund ums Tauchen und Koh Tao.